1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
verstanden. Wir sind unterwegs.«
»Großartig. Hast du solche Sehnsucht nach dem Streifendienst? Da steckt doch nichts hinter. Reine Zeitverschwendung. Aber egal, das Essen dort ist spitze. Gib Gas.«
»Aber kaum deine Preisklasse. Außerdem hast du deiner Frau versprochen, weniger zu essen, und du hast vorhin praktisch alle Kekse alleine gefuttert.«
Vielsagend blickte Sandra auf seinen Bauch, ehe sie sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. Mit wochenlanger Übung ignorierte er die Stichelei.
Hinter dem Deichtortunnel verließ Sandra die B4 und bog vor dem ehemaligen Spiegel-Hochhaus in das Dovenfleet ein. Wenigstens war Matthias ein direkter Blick auf die Speicherstadt vergönnt. Tagsüber waren die Parkstreifen rechts und links der Straße überfüllt, aber um die Zeit gab es genug freie Plätze. Das wären ideale Voraussetzungen für ein Bier im Gröninger und einen anschließenden Bummel durch den Freihafen, um sich die neuesten architektonischen Abenteuer in der Hafencity anzusehen. Stattdessen wurde Sandra erst langsamer, als sie sich dem Rödingsmarkt näherten.
»Da vorne ist es.«
Als ob er das nicht selbst wüsste, und wie erwartet war kein Fahrzeug mit Stern auf der Motorhaube zu sehen.
Matthias lehnte sich in seinem Sitz zurück und gab sich keine Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken. Für ihn war die Sache erledigt, leider sah Sandra das anders. Sie steuerte eine Parklücke wenige Meter von dem Restaurant entfernt an.
Sein bissiger Kommentar über ihren Übereifer blieb ihm im Hals stecken, als vor ihnen ein schwarzer Mercedes in zweiter Reihe mit Warnblinkanlage hielt. Ohne den Wagen aus den Augen zu lassen, schielte er auf seine Armbanduhr. 19:55 Uhr.
Damit war eine Entschuldigung bei Sandra fällig. Der Fahrer sprang aus dem Wagen und eilte in das Restaurant.
Mit einem Anflug von Unsicherheit blickte Sandra ihn an. »Mist, und jetzt?«
»Halterfeststellung. Dann sehen wir weiter. Für einen Zuhälter ist die Karre zu dezent und wie ein Dealer sieht der nicht aus. Bisher ist nur ein Zettel wegen Falschparkens fällig. Schlechter Geschmack bei Klamotten ist ja noch nicht strafbar.«
»Also mir gefällt der. Nur weil du Anzug und Krawatte nicht magst, muss das nicht für alle gelten.«
Ehe er sich einen orangefarbenen Schlips umbinden würde, würde er im HSV-Trikot das Millerntor-Stadion besuchen. Er kam nicht dazu, das Sandra klarzumachen. Mit einer Tüte in der Hand kehrte der Fahrer zurück, fuhr los und kam mit einem Ruck wieder zum Stehen. Der linke Außenspiegel hatte sich mit einem Knall in seine Bestandteile zerlegt.
»Verdammt, da schießt jemand! Raus hier!«
Sandra blieb wie versteinert sitzen. Er beugte sich vor, löste ihren Sicherheitsgurt und stieß die Fahrertür auf. Endlich reagierte sie. Gemeinsam gingen sie hinter dem Kofferraum des Streifenwagens in Deckung, obwohl das dünne Blech gegen großkalibrige Kugeln keinen wirklichen Schutz bot. Dank der Rotphase herrschte auf der Straße gerade kein Verkehr. Trotzdem … Das war Wahnsinn. Schüsse mitten in der Hamburger City. Mittlerweile fehlte nicht nur der Außenspiegel des Daimlers, die Frontscheibe sah aus, als sei sie von einem Spinnennetz überzogen.
Schussgeräusche waren nicht zu hören, aber die Schäden am Fahrzeug sprachen für sich. Zunächst hatte Matthias an die U-Bahnbrücke als Standort des Schützen gedacht, aber dort war niemand zu sehen.
»Vermutlich hat der Kerl ein Gewehr und sitzt da oben.« Er deutete auf die Silhouetten einiger Bürohochhäuser. »Mit unseren Waffen haben wir gegen den keine Chance. Behalt deinen Kopf unten.« Die Augen bis auf einen Spalt zusammengekniffen, suchte er nach einem verräterischen Aufblitzen.
»Nimm du deinen lieber auch runter.«
Als wollte der unbekannte Schütze Sandras Worte bestätigen, zersplitterte das Blaulicht des Streifenwagens.
»Scheiße!« Matthias verabschiedete sich von der Idee, das Mündungsfeuer ausfindig zu machen.
»Konntest du erkennen, was mit dem Fahrer ist?«
»Nein, wenn er schlau ist, hat er den Kopf unten und behält ihn dort. Keine Blutspuren, soweit ich gesehen habe. Ich kann nur hoffen, dass da drinnen jeder mit seinem Fisch beschäftigt ist und nicht ausgerechnet jetzt den Laden verlassen will.«
Zum Glück waren kaum Passanten unterwegs, nur auf der anderen Straßenseite war ein junges Pärchen stehen geblieben und beobachtete die Szene eher neugierig als verängstigt. Mit lautem Rattern überquerte die U3 die Brücke.
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