10 - Der Ölprinz
Lager waren. Hier konnten sie nicht vorbei, weil sie von dem Kantor erfahren haben, daß wir hier sind. Sie sind also aufwärts zurück bis dahin, wo wir gestern lagerten, und dann über den Fluß hinüber. Mein roter Bruder mag mit einer Schar seiner Leute schnell abwärts reiten, bis er eine Stelle findet, an welcher er über den Fluß hinüber kann. Ist er drüben, so wird er nach ihrer Fährte suchen und dabei sehen, ob sie aus dieser Gegend schon fort sind.“
„Sie werden unbedingt fort sein!“
„Nein. Es steht zu vermuten, daß sie irgendwo da drüben stecken, um zu sehen, wie der Überfall hier abläuft. Mein Bruder muß ihnen so breit wie möglich den Weg verlegen, daß sie ja nicht vorüber können.“
„Und was wird Old Shatterhand tun?“
„Ich werde mit Winnetou aufwärts reiten, um ihrer Spur zu folgen. Da diese mit der unsrigen zusammenfällt, so ist sie außerordentlich schwer zu lesen; daher müssen wir diesen Weg selber machen; wir können uns auf keinen andern verlassen. Natürlich aber reiten wir nicht allein, sondern wir nehmen auch Begleiter mit.“
„Ich habe diesen Hunden doch Späher entgegengesandt! Sie müssen von ihnen nicht bemerkt worden sein.“
„Es ist auch noch andres möglich. Entweder haben sie sie getäuscht oder sie gar getötet.“
„Wenn dies der Fall ist, dann müssen sie am Marterpfahl sterben!“
„Erst wollen wir sie fangen, und erst dann können wir über ihren Tod sprechen. Mein roter Bruder mag sofort aufbrechen und ja nichts versäumen!“
Da erschien wieder ein Reiter oben an der Furt. Er sah die Personen auch und fragte ebenso wie vorhin der Bankier, ob er herunterkommen dürfe.
„Ja, kommen Sie!“ antwortete Old Shatterhand, indem es in seinen Augen wenig verheißungsvoll flimmerte.
Der Kantor kam herab.
„Da bin ich wieder“, sagte er ahnungslos. „Wo sind die andern Deutschen?“
„Da, wohin Sie nicht kommen werden, damit Sie nicht wieder Unheil anrichten können, Sie Verräter!“
„Verräter? Wieso?“
„Sie haben dem Ölprinz gesagt, wo Mr. Rollins das Papier hat.“
„Ja, das habe ich. Sie fragten mich, und da konnte ich sie doch nicht belügen.“
„Man kann klug sein, ohne zu lügen, Sie Dummkopf und Faselhans! Ich diktiere Ihnen Ihre Strafe: Sie werden wieder angebunden!“
„Das werde ich nicht; ich dulde das nicht. Sie haben keine Gewalt über mich!“
„Sogar sehr. Ich werde es Ihnen gleich beweisen.“
Er sagte zu einigen Navajos ein paar Worte, welche der Kantor nicht verstand; da nahmen sie ihn und sein Pferd zwischen sich und schafften ihn hinauf ins Lager, wo er trotz allen Sträubens wirklich angebunden wurde. Nach kurzer Zeit jagte Nitsas-Ini mit zwanzig seiner Reiter stromabwärts; Mokaschi, sein nunmehriger Freund hatte sich ihm mit noch zwanzig Nijoras angeschlossen. Winnetou und Old Shatterhand dagegen ritten stromaufwärts. Bei ihnen befanden sich Sam Hawkens, Dick Stone, Will Parker und zehn Navajokrieger. Frank und Droll hatten auch mitgewollt, waren aber von Old Shatterhand vermocht worden, zurückzubleiben, um mit Wolf darauf zu achten, daß im Lager nichts vorkomme, was später gerügt werden müsse.
Die Frauen saßen noch unten am Wasser beisammen; die weiße Squaw war bei ihnen, ihre Männer natürlich auch. Sie sprachen von ihrer Zukunft, von ihren früheren Plänen und was durch die Ereignisse der letzten Zeit an diesen geändert worden war. Da kam Wolf von oben herab, um nach ihnen zu sehen. Die Squaw, welche, wenn sie deutsch mit ihm sprach, ihn Sie nannte, aber du zu ihm sagte, wenn sie indianisch mit ihm redete, winkte ihn näher zu sich hin und sagte: „Wir sprechen von dem Vorhaben dieser unsrer Landsleute. Sie sind herübergekommen, um sich eine Heimat hier zu gründen. Mittel besitzen sie nicht; nur Ebersbachs haben Geld und wollen die andern damit unterstützen. Was sagen Sie dazu? Ich werde mit meinem Mann darüber sprechen, sobald er Zeit dazu hat.“
„Das ist nicht nötig“, lächelte er.
„Warum?“
„Weil ich es schon getan habe.“
„Sie haben mit ihm davon gesprochen?“
„Ja.“
„Und was hat er gesagt?“
„Er will Ihnen eine Freude bereiten dadurch, daß er diese Deutschen in seinem Gebiet behält.“
„Das ist schön! Das freut mich herzlich! Ich weiß, daß er mir meinen Wunsch jedenfalls erfüllt hätte; aber daß er meine Bitte nicht erst abgewartet hat, das ist mir doppelt lieb. Wie haben Sie sich denn nun die Sache gedacht?“
„Sehr einfach. Diese
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