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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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PROLOG
    TSCHECHOSLOWAKISCH-ÖSTERREICHISCHE GRENZE, AUGUST 1968
     
    Der Suchscheinwerfer glitt lautlos über das flache, weite Feld.
    Sie lagen in einem Entwässerungsgraben auf der tschechoslowakischen Seite der Grenze: der Mann, die Frau und der Junge. In den vergangenen Nächten hatten schon andere diesen Weg benutzt und so versucht, den Russen zu entkommen, die mit den Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei einmarschiert waren, um Alexander Dubceks Experiment, den »Prager Frühling«, zu zerstören. Ein paar Glückliche hatten es geschafft. Die meisten waren festgenommen worden. Eines der zahlreichen Gerüchte besagte, manche seien auf einen nahe gelegenen Kartoffelacker geführt und erschossen worden.
    Die drei Leute in dem Graben machten sich keine Sorgen, ob sie es schaffen würden, die Grenze zu überschreiten. Sie hatten Befehl, um diese Zeit an dieser Stelle zu sein, und ihnen war versichert worden, ihr Übertritt in den Westen werde reibungslos klappen. Sie hatten keinen Grund, daran zu zweifeln, alle drei waren Agenten des sowjetischen Komitees für Staatssicherheit, besser als KGB bekannt.
    Der Mann und die Frau gehörten der Ersten Hauptverwaltung an. Ihr Auftrag lautete, russische und tschechoslowakische Dissidentenkreise im Westen zu unterwandern.
    Der Junge gehörte zu den Berufskillern der Abteilung V der Ersten Hauptverwaltung.
    Der Mann schob sich auf dem Bauch liegend an den Grabenrand und spähte in die Nacht hinaus. Als der Scheinwerfer über ihn hinwegglitt, drückte er sein Gesicht in das kühle, taufeuchte Gras. Als es wieder dunkel war, hob er den Kopf und sah sich erneut um. Der tief über dem Horizont stehende Halbmond gab gerade genug Licht, daß alles deutlich zu sehen war: der Wachtturm, die Silhouette eines Grenzpolizisten, ein weiterer Uniformierter, der den kiesbestreuten Weg am Grenzzaun entlangkam.
    Der Mann kontrollierte das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. Er drehte sich um und flüsterte auf tschechisch: »Bleibt hier. Ich sehe nach, ob wir kommen können.«
    Er kroch über den Grabenrand und war verschwunden.
    Die Frau sah zu dem Jungen hinüber. Er war nicht älter als sechzehn, und ihre um ihn kreisenden sexuellen Phantasien hatten ihr schlaflose Nächte beschert, seit sie vor drei Wochen in die Tschechoslowakei gekommen waren. Für einen Jungen war er viel zu hübsch: schwarzes Haar, dunkelblaue Augen wie ein sibirischer See. Seine Haut war blaß, fast weiß. Obwohl dies sein erster Einsatz war, ließ er keine Angst erkennen. Als er merkte, daß sie ihn ansah, starrte er mit einer animalischen Direktheit zurück, die sie erzittern ließ.
    Fünf Minuten später kam der Mann zurück. »Beeilung«, sagte er. »Geht schnell und ohne ein Wort zu reden.«
    Er bückte sich und half der Frau aus dem Graben. Danach streckte er seine Hand auch dem Jungen hin, der sie nicht ergriff, sondern allein herauskletterte. Der Grenzpolizist wartete am Zaun auf sie. Sie gingen fünfzig Meter weit bis zu der Stelle, wo ein Loch in den Zaun geschnitten worden war. Der Uniformierte zog den Maschendraht zur Seite, und die drei KGB-Agenten überschritten nacheinander die Grenze nach Österreich.
    Von ihren Führungsoffizieren in der Moskauer Zentrale hatten sie genaue Anweisungen erhalten. Sie sollten zu Fuß ins nächste Dorf gehen und sich zu einem österreichischen Gendarmerieposten bringen lassen. Aus Erfahrung wußten sie, daß man sie in ein Auffanglager für Ostblockflüchtlinge bringen würde. Dort würden sie unweigerlich scharfen Verhören durch die österreichische Spionageabwehr unterzogen werden, die sicherstellen sollten, daß keine Spione ins Land kamen. Aber ihre tschechoslowakischen Identitäten waren in monatelanger Arbeit zusammengestellt worden; sie würden jeder Überprüfung standhalten. Wenn alles nach Plan ablief, würden sie binnen weniger Wochen in den Westen entlassen werden und ihre Arbeit für den KGB beginnen.
    Der Junge hatte von der Abteilung V einen anderen Auftrag.
    Die österreichische Seite der Grenze wurde nicht bewacht. Sie überquerten ein frisch gepflügtes Feld. Die warme Nacht war von schwerem Mistgestank und dem Zirpen Zehntausender Grillen erfüllt. Die Landschaft verdüsterte sich, als der wäßrige Halbmond hinter einer einzelnen Wolke verschwand. Die unbefestigte Straße befand sich genau dort, wo sie nach Angaben ihrer Führungsoffiziere liegen sollte. Sobald ihr die ehemalige Landstraße erreicht, hatten sie gesagt, geht ihr in Richtung

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