1014 - Der Seelenkompaß
Zuchthausdirektor hat mir nichts Gegenteiliges berichtet. Ihnen ist wohl nichts geschehen.«
Mein Freund wippte auf seinem Stuhl zurück. »Glaubst du, daß es dir ähnlich ergehen wird? Daß Soulman dich als Zeugen einfach hinnimmt? Schließlich bist du etwas anderes als ein Zellengenosse, dem keiner glauben wird.«
»Denkst du daran, daß ich jetzt auf Soulmans Liste stehe?«
»Kann durchaus sein. Aber was ist dann mit diesem Psychologen, mit dem ich gesprochen habe?«
»Was soll sein?«
»Schließlich hat Silas mit dem Mann gesprochen und sich ihm offenbart. Ich denke, daß er auch in einer gewissen Gefahr schwebt.«
»Wäre er umgekommen, hätten wir es längst erfahren.«
»Stimmt auch wieder«, sagte Sir James. »Aber wer zum Teufel, sammelt denn Seelen?«
»Der Spuk.«
»Mehr wissen Sie nicht, John?«
»Im Moment bin ich ratlos. Ich habe einen hellen Schatten gesehen, der in den Körper eindrang. Wenig später kehrte er als noch hellerer Schatten zurück. Denn da hat er sich im Besitz der Seele befunden, die er dem Mann raubte.«
»Also ist der Seelenfänger selbst so etwas wie eine Seele«, sagte Suko.
»Das weiß ich nicht. Jedenfalls hat er keine Spuren hinterlassen. Abgesehen von einem toten Killer.«
»Wobei wir davon ausgehen müssen, daß er noch mehr Seelen sammeln wird«, sagte Suko.
»Ja.«
»Im Knast?«
»Da hat er die besten Chancen. Und ich habe auch den Eindruck, daß er ausschließlich die Seelen von Verbrechern sammelt. Was er damit anstellen will, weiß ich nicht. Ob er sie verkauft, sie abgibt oder für sich behält - ich habe keine Ahnung.«
Sir James schaute erst Suko, dann mich an. »Und Sie beide haben noch nie von einem gehört, der sich Soulman nennt?«
»Nein, haben wir nicht!« antwortete ich.
»Dann müssen wir wohl den nächsten Toten abwarten, was mir auch nicht gefallen wird«, sagte Sir James. »Es sei denn, Sie finden eine Spur. Das wäre natürlich gut.«
»Und wo setzen wir an?«
»Überlegen Sie, John. Aber finden Sie dieses verdammte Monstrum. Auch wenn es Mörder gewesen sind, die getötet wurden, sie waren trotz allem Menschen.«
Das brauchte er uns nicht zu sagen. Wir waren auch so motiviert genug.
Sir James stand auf. »Heute wird es ohnehin nichts mehr werden. Wir können morgen darüber sprechen.«
Nach diesen Worten verließ er das Büro, und ich fragte Suko: »Ist er sauer?«
»In gewisser Hinsicht schon. Das brauchst du dir nicht anzuziehen, er war schon vorher so.«
»Gut.«
»Und wir sitzen hier, kommen nicht weiter, aber wir reden über einen Soulman.«
»Genau das ist das Problem.«
»Hast du wirklich nur einen Schatten gesehen?«
Ich nickte und ging zu meinem Platz am Schreibtisch. »Ja, einen hellen Schatten, der in den Körper des Mannes eindrang und noch heller wieder hervorkam.«
»Verrückt und unglaublich.«
»Aber leider wahr«, sagte ich.
Suko atmete tief ein. »Ich komme damit nicht zurecht. Wir jagen einem Phantom hinterher, und wir wissen nicht, woher es gekommen ist. Ich frage mich auch, ob du diesen Soulman bereits gesehen hast. War Soulman der Schatten?«
»Das weiß ich nicht.«
»Glaubst du es denn?«
»Keine Ahnung, Suko. Ich weiß wirklich nicht, was ich glauben soll. Hätte der Psychotherapeut nicht so schnell reagiert, stünden wir jetzt ohne alles da.«
Er hob die Schultern. »Wer könnte uns weiterhelfen? Wer weiß etwas über einen Soulman?«
»Die Fahndung jedenfalls nicht.«
»Die Leute haben auch keine Geister gespeichert. An wen sollen wir uns wenden?«
Ich schwieg, denn eine Antwort hatte ich nicht parat. »Das weiß ich alles noch nicht«, sagte ich nach einer kurzen Pause. »Vielleicht müssen wir darauf hoffen, daß Soulman mich als den Zeugen besucht.«
»Und dir die Seele raubt?«
Ich lächelte kalt. »Keine Sorge, ich werde alles daransetzen, daß er es nicht schafft…«
***
Phil Warren hatte sich schon an der Tür des Museums aufgebaut und wartete darauf, daß die letzten Besucher den Raum verließen. Er wollte endlich schließen und seine Ruhe haben. Das junge Paar hielt sich schon nahe der Tür auf und bestaunte noch eine alte Maschinenpistole, mit der Gangster in den dreißiger Jahren geschossen hatten. Sie lasen den dazugehörigen Text, der alles haarklein erklärte, und den Phil Warren, der Hüter des Museums, schon auswendig kannte. Er war der Wächter, er war der Erklärer, er war das Mädchen für alles in diesem Kriminalmuseum, und er tat seine Arbeit in der Regel gern. Da
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