1066 - Avalons Riesen
dieser Gedanke war dermaßen intensiv, daß Nadine davor erschrak. Sie wunderte sich, daß sie so schnell darauf gekommen war, natürlich kam es ihr nicht vor. Das war wie eine Eingebung gewesen, beinahe schon eine Kontaktaufnahme, als stünde genau dieser John Sinclair neben ihr.
Da hatte sie eine geistige Brücke geschlagen. Vielleicht hatte John auch gerade in diesem Moment an sie gedacht. Wer wußte das schon? Nicht Nadine in diesem Fall. Sie wollte nur weg und das Tor noch vor den Riesen erreichen.
Avalon war eine recht große Insel, aber Nadine hielt sich immer relativ nahe am Tor auf. Sehr weit war der Weg nicht. Aber was hieß schon weit, wenn sie ihre Schritte mit denen der Riesen verglich.
Das war einfach lächerlich.
Trotzdem dachte sie nicht daran, aufzugeben. Wieder lief sie mit großen Schritten los, aber sie rannte nicht so schnell wie vorhin vom Strand weg. Jetzt war es wichtiger für sie, sich die Kräfte genau einzuteilen.
Aus der Schüssel war sie längst herausgelangt. Nadine lief jetzt über ein flaches, aber auch leicht schräges Gelände, weil es zu einem Hang gehörte, der sich rechts von ihr erhob und aussah wie eine blühende Wiese.
Herrliche Sommerblumen waren zwischen den Grashalmen zu sehen. Sie schimmerten in einer wunderbaren, farbigen Pracht und waren Anflugstationen für zahlreiche Insekten, die sich aus ihren Blüten die Nahrung holten. Ein Bild, das wie vieles auf der Insel Ruhe und Frieden ausstrahlte. Der allerdings machte nur Sinn, wenn er sich zugleich auch im Herzen eines Menschen ausbreitete.
Das war bei Nadine Berger jetzt nicht der Fall. Sie konnte keinen Frieden empfinden. Für sie gab es nur die Flucht nach vorn und als Motor die Furcht, die sie antrieb.
Das Tor erreichen. Hindurchlaufen.
Hinein nach Glastonbury. Dann die Menschen warnen.
Sie hatte sich viel vorgenommen. Zuviel. Sie wußte nicht, wie die Bewohner reagierten. Ob man sie auslachte und ihre Warnungen in den Wind schlagen oder ob man ihr glauben würde.
Egal, es war einen Versuch wert.
Und wieder kam ihr der Gedanke an John Sinclair. Er war so stark und intensiv, daß sich Nadine immer mehr wunderte. Ihre Gedanken wurden in Wissen verwandelt. Sie konnte sich plötzlich vorstellen, auf John Sinclair zu treffen, obwohl sie dafür keinen Hinweis erhalten hatte.
Ihre Gedankenwelt war so stark, daß sie das eigene Schicksal und damit auch die drei Riesen vergaß. Sie hatte die blühenden Wiesen hinter sich gelassen und lief jetzt über ein flaches Gelände hinweg.
Es sah ebenfalls wunderschön aus mit seinen blühenden Bäumen, die allerdings bauten sich auch als Hindernisse auf, denn Nadine schaffte es nicht, nur geradeaus zu laufen. Immer wieder mußte sie die Stämme der Obstbäume umkurven, was Zeit kostete.
Die Riesen würden es daher einfacher haben, weil sie keine Rücksicht nahmen. Unter ihren Tritten würden die Bäume zerknicken wie dünne Streichhölzer. Wesen wie sie hinterließen eben eine breite Spur der Verwüstung.
Sie drehte sich auf der Stelle.
Zu sehen waren sie nicht.
Zum erstenmal lächelte sie. Die Verfolger ließen sich Zeit, das war gut. Hoffentlich blieb es auch dabei. Nadine dachte daran, was sie als Kind oft getan hatte.
Sie und andere Freunde waren zu den Gleisen gelaufen, hatten ihre Ohren auf das Metall gelegt, um den Vibrationen zu entnehmen, ob ein Zug unterwegs war.
So ähnlich reagierte sie hier auch, denn die Zeit mußte sie sich einfach nehmen.
Nadine preßte ihr Ohr an den Boden. Es konnte ja sein, daß sie die Echos der mächtigen Schritte hörte. Dann würde der Boden schon vibrieren. Es war schwer, weil der eigene Herzschlag und der heftige Atem alles überdeckten. So brauchte sie mehr Zeit als vorgesehen und wollte schon aufgeben, als sie etwas vernahm.
Ja, das waren die Geräusche. Die dumpfen und auch leicht dröhnenden Echos, die sich durch die Erde fortpflanzten und tatsächlich ihr linkes Ohr erreichten.
Sie waren unterwegs. Sie kamen. Und sie hatten leider nicht die Richtung verändert. Sie wollten zum Tor und demnach auch zu den Menschen hin. Nadine Berger kam so schnell wie möglich wieder auf die Beine. Auch wenn sie die Riesen nicht gesehen hatte, weil das unebene Gelände es nicht zuließ, so rechnete sie doch damit, daß dieses scheußliche Trio nicht weit entfernt war.
Es gab nur eine Chance. Sie mußte schneller sein und hoffen, daß die Riesen das Tor nicht so schnell fanden. Im Gegensatz zu ihnen kannte sie sich auf der Insel aus. Sie
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