1066 - Avalons Riesen
Oder war es die Macht des Kreuzes, die ihr dieses Gefühl gab?
Es war ein Teil von ihm. Es strahlte ab. Es gehörte einfach zu John Sinclair.
Nadine Berger hatte sich vorgenommen, die Strecke schnell zu überwinden. Davon nahm sie jetzt Abstand, denn sie blieb auf der Hälfte zwischen den Mauern stehen. Ihre Augen bewegten sich. Sie suchte den Geisterjäger, dessen Nähe sie so intensiv spürte.
Er war da, daran gab es keinen Zweifel.
Dann wagte sie es. Nadine rief nach ihm, auch wenn in ihrer Stimme ein leicht unsicherer und ängstlicher Klang mitschwang.
»John… John Sinclair … endlich bist du da – endlich …«
***
Ich hatte den Ruf gehört!
Aber nicht nur ich, der ich mein Kreuz in der Hand hielt, auch Bill Conolly hatte den Ruf vernommen, und drehte sich mir ruckartig zu.
»Verdammt, das war sie. Das war doch Nadine. Oder irre ich mich da?«
»Nein, du irrst dich nicht.«
»Dann ist sie hier?«
Ich konnte nur nicken.
Ja, Nadine war hier. In unserer Nähe. Sie hielt sich hier auf, aber sie befand sich noch in ihrer Welt. Sie hatte den Weg von Avalon zu uns noch nicht geschafft.
Jetzt erwies es sich als Vorteil, daß wir nach der Vernichtung des Riesen nicht zurück in unsere Zimmer gegangen waren, sondern dem Tor zu Avalon einen Besuch abgestattet hatten.
Für mich war es ein ungemein wichtiger Punkt. Ich kannte es, denn durch dieses Tor war ich schon auf die Nebelinsel gelangt und damit zu der dort lebenden Nadine Berger.
Nun war es wieder soweit. Unsere Theorien stimmten. Dieser verdammte Riese, der vor unseren Augen einen Hund und ein Schaf verschlungen hatte, war aus Avalon gekommen. Seine Vernichtung hatten wir der Ladung aus Bills Goldener Pistole zu verdanken, denn sie hatte es geschafft, dieses Ungeheuer zu vernichten, bevor es sich Menschen hatte holen können.
Einer allerdings war gestorben. Walter Wing, ein Bekannter von Bill. Er hatte die Blutquellen von Glastonbury entdeckt und sich an Bill Conolly gewandt. Er hatte ihm sogar eine Probe des Blutes geschickt, die Bill mir dann gezeigt hatte. Diese Blutprobe war mehr als außergewöhnlich gewesen. Nach dem Kontakt mit meinem Kreuz hatte das Blut seine Informationen freigegeben. So hatte ich erleben können, wie Walter Wing umgekommen war. Wie ihn der aus dem Boden hervorkommende Riese in die Tiefe geholt hatte, nachdem die Blutquellen gesprudelt waren. [1] Bill und ich waren so schnell wie möglich nach Glastonbury gefahren, hatten die Blutquellen gefunden und auch einen Riesen entdeckt, der alles zerstören wollte, nachdem er den Hund und das Schaf verschlungen hatte.
Uns war sofort klargewesen, daß diese Gestalt nicht von unserer Welt stammte. Ich wußte, daß es in Avalon Riesen gab, die Erfahrung hatte ich schon einmal machen können, und deshalb hatten wir auch den Weg nach Avalon gesucht.
Das Tor hatte offengestanden. Mitten in der Nacht, während die Menschen schliefen. Wir waren hineingegangen. Ich hatte mein Kreuz hervorgeholt und erlebte nun den Ruf der Nadine Berger.
Nein, das war kein Zufall. Sie schien mich erwartet zu haben, und aus ihrer Stimme hatte die Angst hervorgeklungen. Demnach mußte sie in Schwierigkeiten stecken.
Noch sahen wir sie nicht und schauten uns nur an. Sie wartete auf eine Antwort, die ich auch nicht unterdrückte.
»Nadine…?«
Nichts…
»Du hast zu leise gesprochen«, sagte Bill.
»Das wird es wohl gewesen sein.« Beim nächstenmal hob ich meine Stimme. »Nadine – hörst du mich?«
»Ja, John, ich höre dich. Lieber Himmel, du bist es tatsächlich. Es ist… es ist …« Sie konnte nicht mehr weitersprechen, aber auch mir hatte es so die Sprache verschlagen, und ich schaute Bill Conolly an, der ebenso eine Gänsehaut bekommen hatte wie ich.
»Das ist ja wie im Märchen«, hauchte er.
»Beinahe noch ungewöhnlicher…«
Wir sahen sie nicht. Ich beobachtete mein Kreuz. Der Glanz war geblieben. Er war nicht die einzige Ablenkung, die uns widerfuhr.
Wir beide schauten zum anderen Ende des Tors hin, und dort passierte etwas Seltsames.
Da verdichtete sich die Luft. Auf uns machte sie den Eindruck, als hätte sie sich zu einer bestimmten Gestalt zusammengezogen. Dort sollte ein Gespenst entstehen.
Wir konzentrierten uns auf diese Stelle. Und aus dieser helleren Masse hervor löste sich eine Gestalt. Eine Frau mit roten Haaren und recht heller Haut. Sie trug ein ebenfalls helles Kleid, und auf ihren Lippen lag ein warmes Lächeln.
Nadine Berger!
Ich atmete tief durch, und der
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