1159 - Seth-Apophis
der Absorption weiterer Bewußtseinsfragmente nicht eben zimperlich gewesen. Als sie nach Aitheran zurückkehrte, empfand sie ein merkwürdiges Unwohlsein. Es lastete ein finsterer Druck auf ihr, der sie daran hinderte, sich an den belebten Gesprächen ihrer Paladine zu erfreuen. Sie zog sich in jenen Dämmerzustand zurück, der ihr, der Entkörperlichten, als Ersatz des Schlafes diente, und versuchte, sich zu entspannen.
Peinigender Schmerz verwehrte ihr die Ruhe. Sie meinte, in einer riesigen Höhlung zu schweben, die von düsterem, rotem Licht erfüllt war. Von allen Seiten drangen unwirkliche Gestalten auf sie ein, grotesk geformte Bruchstücke fremder Körper. Gellendes, kreischendes Geschrei erfüllte die Höhle und machte die Wände zittern. Seth-Apophis glaubte sich wieder im Besitz ihres Androidenkörpers und schlug mit Armen und Beinen um sich, um die widerliche Flut alptraumhafter Gestaltfragmente abzuwehren.
Sie erinnerte sich an den Alptraum, den sie vor Millionen von Jahren geträumt hatte. Der Druck, der auf ihr lastete, wurde intensiver, drohte ihre Existenz zu zerquetschen.
Tausende, Hunderttausende, Millionen von Bewußtseinsbruchstücken drangen auf sie ein und wurden in der grausamen Vision als Körperfragmente sichtbar. Sie vereinigten sich mit dem Bewußtseinskonglomerat und begannen, Seth-Apophis' mentale Kapazität zu überlasten. Wie eine Vision wurde ihr das Verständnis des Vorgangs zuteil. Während der jüngsten Jetstrahl-Reise hatte sie sich übernommen. Durch die bedenkenlose Aufnahme zusätzlicher Zehntausender von Bewußtseinsfragmenten hatte sie im Innern ihrer Bewußtseinssphäre eine Konzentration geschaffen, die nun von sich aus, unkontrolliert mit der Außenwelt in Wechselwirkung trat. Sie strahlte psionische Anziehungskraft aus, die jedes Mentalquant in näherer und weiterer Umgebung anzog. Seth-Apophis' Massenbewußtsein hatte sich in ein psionisches black hole verwandelt, das mit unwiderstehlicher Kraft alle Bewußtseinssubstanz an sich riß. Der Prozeß steuerte sich selbst in den Abgrund. Der reißende Strom der Bewußtseinsfragmente erhöhte die psionische Konzentration und verstärkte die Anziehungskraft, die von ihr ausging. Wie eine Vision des Ultimaten Entsetzens sah Seth-Apophis es vor sich: ein von allem Geistigen leergefegtes Universum, auch das letzte psionische Quant in den winzigen Behälter gepfercht, den ihr Kumulativbewußtsein darstellte. Und dann: eine mentale Explosion von unvorstellbaren Ausmaßen ...
Das also war Simsins Rache! Nicht vor dem fremden Gegner hatte sie sich zu fürchten brauchen, obwohl es diesen wahrscheinlich auch gab. Sie selbst und ihr unersättlicher Hunger nach fremdem Wissen waren es, die die Katastrophe über sie gebracht hatten. Mit eigener Hand löschte sie sich aus - ein Opfer ihrer Gier. Simsin hatte wohl gewußt, daß es eine Grenze gab, jenseits deren ihrer Bewußtseinskonglomerat von sich aus weitere Geistesfragmente an sich ziehen würde und daß der Prozeß von da an nicht mehr aufzuhalten war. In dieser Gewißheit hatte der Anxime seine letzte Stunde verbracht: daß Seth-Apophis sich selbst zugrunde richten würde.
Ihr Überlebenswille bäumte sich auf. Mit einer Kraftanstrengung, die Sonnensysteme hätte aus den Angeln zu heben vermögen, stemmte sie sich gegen den geistigen Druck.
„Raqotor, Sublinaf, Wergin ...", erging ihr Ruf.
Im Hintergrund der Höhle, fast verdeckt von den strömenden Scharen der Bewußtseinsfragmente, erschienen die Umrisse der drei Gerufenen.
„Der Psi-Rubin!" stieß Seth-Apophis hervor. „Wie weit ist er noch entfernt?"
„Zehntausende von Lichtjahren, Ipotherape", antwortete Raqotor. „Er hat die Grenze von Sethdepot noch nicht erreicht."
Seth-Apophis gab einen Befehl, den niemand außer ihr verstand. Sie bot dem Strom der kreischenden und jammernden Fragmente ein Ausweichziel an. Für den Bruchteil einer Sekunde gelang es ihr, dem Vektor der psionischen Anziehungskraft eine andere Richtung zu geben. Der Fragmentstrom geriet einen Atemzug lang ins Stocken, dann schoß er auf die drei Gestalten im Hintergrund zu. Raqotors, Sublinafs und Wergins Umrisse wurden schlagartig deutlicher. Die Pseudokörper begannen zu leuchten, als Tausende von Bewußtseinsfragmenten auf sie einströmten und sich mit ihren projizierten Bewußtseinen zu vereinigen suchten. Für die Dauer einer Drittelsekunde gelang es Seth-Apophis, die Naturgesetze umzukehren und sich den Spielraum zu verschaffen, den sie
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