1174 - Duell der Kosmokraten
beim Übergang von jenseits der Materiequellen in dieses Universum.
Es waren vierzehn Monate Leben, die er nicht mit Taurec teilte.
Es war Chthon gewesen, der vom Grauen Korridor angezogen worden war wie von einem Magneten, und als semistofflicher Körper auf Terra materialisierte. Er allein. Dieses Erleben hatte mit Taurec nichts zu tun.
Chthon besaß einen Teil des gemeinsamen Wissens und eine bruchstückhafte Erinnerung, wie Taurec auch. Er wußte immerhin genug, um die Terraner vor den sieben Plagen Vishnas zu warnen. Und er war handlungsfähig genug, die Bewohner der Erde im Kampf gegen die Plagen der entarteten Kosmokratin zu unterstützen.
Chthon hatte ganz im Sinne der Kosmokraten gehandelt, nicht anders als es Taurec auch getan hätte.
Und da mutmaßte Taurec, ob er nicht vielleicht auf Vishnas Seite stünde!
Gewiß, Taurec wollte ihn nur provozieren, ihm Gewissensbisse anzüchten und ihn damit dazu bringen, seine Existenz aufzugeben und in ihm aufzugehen. Aber so einfach war das nicht.
Chthon hatte eigenständig gewirkt, dadurch Identität bekommen und sich so auch eine Existenzberechtigung erworben. Das konnte man nicht einfach ausradieren. Nicht einfach so! Taurec hätte zumindest mit ihm über seine Probleme diskutieren müssen.
Andererseits war sich Chthon bewußt, daß der Auftrag der Kosmokraten über alles ging.
Das war sein Dilemma! Er kannte seine moralische Verpflichtung, wollte auch durchaus dazu stehen, aber nicht um den Preis der Selbstaufgabe.
Als zusätzliche Schwierigkeit kam das Wissen dazu, daß er ohne Taurecs Körper unter progressivem Substanzverlust litt und der baldigen Auflösung zustrebte.
Und trotzdem ...
Taurec war der stärkere von ihnen beiden. Er hätte sich zumindest eine Lösung überlegen müssen, die ihnen beiden gerecht wurde. Er hätte versuchen müssen, die Anamnese zu erwirken, ohne seine, Chthons, Identität auszulöschen.
Aber an eine andere mögliche Lösung als die absolute Wiedervereinigung verschwendete Taurec keinen Gedanken.
Und damit wollte sich Chthon wiederum nicht abfinden.
Er focht einen schweren inneren Kampf mit sich aus. Der Pflichterfüllung stand der starke Wunsch nach einem Eigenleben gegenüber. Das führte zur augenblicklichen Identitätskrise.
Chthon steckte in einem argen Dilemma.
Er hätte jetzt den weisen Rat eines Dritten gebraucht.
Denn mit Taurec war ja nicht zu reden.
Vielleicht wußte Ernst Ellert eine Lösung für sein Problem.
Chthon war vorwärtsgestrebt, ohne sich zu überlegen in welche Richtung. Er wollte nur schnellstens so weit wie möglich weg von der plötzlich entstandenen Kristallbarriere, hinter der er Taurec wußte. Und er hatte instinktiv einen Bogen um den Virenhorst gemacht.
Hoch über ihm bebte der Graue Korridor. Er spürte die hyperenergetischen Eruptionen geradezu körperlich. Schmerz war damit keiner verbunden, nur das Wissen, daß auch diese Strukturbeben an seiner Substanz zehrten.
Chthon ließ seine Blicke suchend über die Zeittürme schweifen, die sich wie farbenfrohe, fünfzig Meter hohe Stalagmiten aus Vishnas virotronischer Alptraumlandschaft erhoben.
Welcher von ihnen war Stein Nachtlichts Zeitturm, in dem Ernst Ellert Zuflucht gefunden hatte?
Chthon machte sich auf die Suche.
*
Es traf Ernst Ellert wie ein Schock, als plötzlich die Sehkraft seiner Augen aussetzte. Um ihn war nur Schwärze. Die Stimmen von Demeter und Roi Danton dröhnten dumpf an sein Ohr, er konnte sie kaum unterscheiden.
„Ich kann nicht mehr sehen!" rief er mit einer Stimme, die ihm selbst fremd war. „Ich bin blind!"
Er verfluchte wieder diesen seinen Körper, der ihm zur Folterkammer geworden war. Er lebte zwar, aber in einem Körper, der mit Verwesung geschlagen war.
„Komm mit mir, ich kann dir Linderung verschaffen", vernahm er Stein Nachtlichts heiseres Flüstern dicht an seinem Ohr. „Ich führe dich zu den Zeitsohlen hinunter. Komm."
Ernst Ellert ließ sich von dem Ordensmann in die tieferliegenden Bereiche des Zeitturms führen.
„Ich möchte noch den endgültigen Triumph über Vishna miterleben", sagte er. „Solange muß dieser Körper noch funktionieren, auch seine Sinnesorgane."
„Ich bin sicher, daß es dir gleich besser geht", sagte Stein Nachtlicht. „Die Kraft der Zeitsohlen hält den Verfall deines Körpers auf."
Es dauerte nicht lange, da wich die Schwärze von Ellerts Augen, und er sah verschwommene Bilder. Er identifizierte die dünne Gestalt des Ordensmanns, die ihn
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