1180 - Der Drachenschatz
schmale Gasse, in der es hauptsächlich Kneipen gab, erreichten wir unseren Parkplatz.
Noah hatte sich wieder beruhigt, obwohl er sich des Öfteren umschaute, als hätte er Angst davor, ein Messer oder einen Säbel in den Rücken gestoßen zu bekommen.
Mein Rover stand auf einem mit Kopfsteinpflaster bedeckten Platz. Ein paar Ahornbäume grenzten ihn ein. Es hatten sich bereits erste Blätter gelöst, die auf dem Boden oder auf den leicht feuchten Dächern der Autos lagen.
Nachdem ich den Rover aufgeschlossen hatte und wir eingestiegen waren, fragte ich: »Wohnst du ganz allein in den Dünen, oder gehört das Haus zu einem Ort?«
»Nein, nein, da ist schon ein kleines Dorf. Es heißt Trefasser.«
»Und?«
»Tja, was soll ich sagen? Ein Kaff, nicht mehr. Wenige Häuser stehen dort. Die meisten sind auch im Winter verlassen, weil sie Urlaubern gehören, die dort ihre Ferien verbringen oder die Häuser an andere vermieten. Es ist eine Gegend für Menschen, die Ruhe haben wollen. Als lieblich kannst du sie nicht ansehen. In den Prospekten wird sie oft als rau beschrieben, und das stimmt auch, denn auf dieser Kante weht immer ein Wind.«
»Drachenküste«, sagte ich.
»Ja.«
»Warum gerade der Name?«
»Eben wegen der Drachen.«
Ich musste lachen. »Das habe ich mir gedacht. Sind dort denn Drachen erschienen?«
Der Mann auf dem Beifahrersitz zuckte die Schultern. »So erzählt es die Legende. Was daran stimmt, kann ich nicht sagen, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass man dort in früheren Zeiten Seeungeheuer gesichtet hat. Es sind dort viele Schiffe gesunken, aber nicht nur wegen der Drachen. Es gibt dort Riffe, Untiefen, Strudel und messerscharfe Felsen, die aus dem Meer ragen. Wer die Küste erreichen will, muss schon ein perfekter Seemann sein. Das sind viele leider nicht gewesen. Deshalb die Unglücke.«
»Und was ist mit der heutigen Zeit?«
Flynn winkte ab. »Es hat lange keine Unglücke mehr gegeben, aber die Sage hat sich gehalten, und ich für meinen Teil liebe diesen Abschnitt der Küste.«
»Du meinst den Ort, an dem du auch die Münzen gefunden hast.«
»Ja.« Er nickte. »Er gehört ebenfalls zur Drachenküste. Es ist eine kleine Bucht mit einem Strand. Keinem großen. Da findest du selbst keine Touristenmassen, aber wer Ruhe haben und eins mit der Natur werden will, der hat dort alle Chancen, glücklich zu werden.«
»Hört sich ja toll an«, sagte ich lächelnd.
Noah Flynn wiegte den Kopf. »Ich weiß nur nicht, ob es auch so toll ist.«
»Das werden wir herausfinden.« Ich schnallte mich an. »Eine Frage noch. Wohin sollen wir zuerst fahren? Zum Strand oder zu deiner Hütte?«
»Wir kommen praktisch auf dem Weg zum Ziel an meiner Hütte vorbei.«
»Okay, dann halten wir dort an.«
»Ist mir Recht.«
Ich startete und brauchte den Wagen nicht erst groß zu wenden. Es war Platz genug, um vorwärts vom Parkplatz rollen zu können. Unter mir hörte ich das Geräusch der Reifen, die über den nicht eben glatten Boden rubbelten. Wir mussten in Richtung Westen, wenn wir Fishguard hinter uns gelassen hatten.
Es war keine flache Gegend. Eine Hügelkette hatte Wellen in die Landschaft geschlagen. Der Wind bekam freie Bahn, und wir merkten ihn besonders, wenn wir die Anhöhen erreichten.
Fishguard war so etwas wie ein Fixpunkt gewesen. Das konnte man von Trefasser nicht gerade behaupten, denn in diesen Ort verirrte sich kaum jemand. Es kam auch niemand von dort. Zumindest waren wir fast allein auf der Straße, abgesehen von einigen Schafen, die wir umkurven mussten.
Hartes Gras und Strandhafer hatte den Mächten der Natur getrotzt. Auch Heidegewächse, die längst verblüht waren und dem Winter entgegendämmerten.
Die Luft war so klar, wie sie nur an der See sein konnte. Ein hoher Himmel lag über uns, der den Seevögeln gehörte. Sie zogen dort ihre Bahnen und kümmerten sich nicht darum, was unter ihnen passierte. Manchmal wuchsen wilde Hecken bis dicht an den Straßenrand heran. Ihre Rosen waren längst verblüht und zu intensiv roten Hagebutten geworden.
Man hatte die Straße gerade angelegt. Keine Kurven. Sie zerschnitt einfach nur die Dünenlandschaft. Kurz vor Trefasser gelangten wir an eine Kreuzung. Aus zwei anderen Richtungen drängten sich Straßen zusammen, und hier begegneten uns auch die ersten Fahrzeuge. Zwei breite Wohnmobile, die von einem nahe gelegenen Campingplatz kamen. Wir ließen sie passieren.
»Es wird allmählich Herbst«, erklärte mein Beifahrer. »Die
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