12 - Geheimagent Lennet und das tödliche Signal
befreite Lennet die arme Nicole von ihren Fesseln. Die dünne Nylonschnur hatte sich tief in die Haut gegraben, Nicole biß die Zähne zusammen. Ihre Gelenke schmerzten höllisch, als das Blut wieder langsam in ihren Adern zu pulsieren begann.
Mit dem Chef an der Spitze wanderte die kleine Gruppe zur weißen Marmorvilla
»Du hast mir ja gesagt, daß du mich herausholen würdest", flüsterte sie, »aber viel später hättest du nicht kommen dürfen!«
»Du bist einfach prima, Nicole. Daß es so gefährlich für dich wird, konnte keiner voraussehen. Du mußt schrecklich gelitten haben. Bist du mir böse, daß ich dich in die ganze grauenhafte Sache reingezogen habe?«
»O nein", erwiderte Nicole und sah verlegen zu Boden. »Ich habe dir doch gesagt, daß ich ein Mädchen bin, auf das man sich verlassen kann! Ist es wirklich wahr, was ich gerade gehört habe? Ist die Côte d'Azur wirklich gerettet? Nicht von der Flutwelle zerstört? Aber Schmitsky hat doch die Explosion ausgelöst?«
»Sie ist gerettet, und dies dank Ihres Einsatzes", bestätigte Hauptmann Montferrand, der zu den jungen Leuten getreten war, nachdem die Guardia Civil Schmitsky und seinen Gesellen die Handschellen angelegt hatte. »Wenn Sie uns nicht rechtzeitig alarmiert und die Briefe die Leute erreicht hätten, an die sie gerichtet waren, wäre todsicher eine Panik ausgebrochen. Und wenn die Briefe außerdem rechtzeitig angekommen wären, dann wäre Lennet nie auf die Idee gekommen, Leder zu verdächtigen, die Bombe wäre nicht entschärft, und jetzt in diesem Augenblick wäre Ihre schöne Heimat nur noch eine trostlose Wüste.«
Nicole sah den Hauptmann offen an. »Ich kann es kaum glauben, daß ich dazu beigetragen habe, diese grauenhafte Katastrophe zu verhindern!« Sie verzog das Gesicht. Die Schmerzen schienen stärker zu werden. Mit Lennets Hilfe gelang es ihr aufzustehen, aber ihre Knöchel waren so geschwollen, daß sie nur gehen konnte, wenn man sie stützte.
»Nicole", fuhr Montferrand fort, »Lennet hat keine besonderen Verdienste in dieser Sache. Er hat seine Pflicht getan. Er hat sich für den Agentenberuf entschieden. Im Gegenteil, eigentlich hätte er sogar eine Rüge verdient, weil er sich, ohne mich zu fragen, in eine höchst gefährliche Lage begeben hat. Allerdings bin ich davon überzeugt, daß er statt dessen eine Auszeichnung erhält. Wie Leutnant Spinas übrigens auch.«
»Spinas hat daran gedacht, um seine Versetzung zu unserem Geheimdienst zu bitten", warf Lennet ein. »Ich habe ihm abgeraten. Er ist ein prima Typ, aber leider nicht kaltblütig genug für diese Art von Beruf.«
»Und Sie, Nicole? Lennet hat mir berichtet, daß Sie kein Geld als Lohn für Ihren Einsatz haben wollen. Was kann ich Ihnen anbieten als Anerkennung für Ihren Mut und Ihre Bereitschaft, uns zu helfen, die weit über das gewöhnliche Maß hinausgingen?«
Große Worte waren eigentlich nicht Montferrands Art. Sie zeigten, wie sehr ihn der glückliche Ausweg der dramatischen Aktion bewegte.
»Ich weiß nicht", erwiderte Nicole schüchtern. »Nachdem die CEAG geschlossen ist, stehe ich ohne Arbeit da. Und ich bin nicht gern arbeitslos.«
»Die Mitarbeiterinnen unseres Geheimdienstes sind durchweg Mädchen und Frauen, die etwas von. ihrer Sache verstehen. Sie werden natürlich entsprechend bezahlt und haben gute Aufstiegsmöglichkeiten. Wir stellen niemanden ein, der nicht auf die eine oder die andere Weise gezeigt hat, daß er für diese Aufgabe geeignet ist. Würde es Ihnen spaß machen, bei uns im Französischen Nachrichtendienst zu arbeiten? Gerade verläßt uns eine Kollegin, und ich würde mich sehr freuen, wenn ich einen Ersatz für sie hätte.«
»Sie sind wirklich liebenswürdig, Monsieur", sagte Nicole strahlend. »Das hilft mir natürlich sehr. Muß ich dann das ganze Jahr über in Paris arbeiten?«
»Das schon", griff Lennet in das Gespräch ein. »Aber es gibt ja auch etwas wie Urlaub. Und im Urlaub könntest du dann an die Côte d'Azur fahren! Und wenn ich nicht gerade mitten in einem Auftrag stecke, dann fahre ich mit!« Lennet lachte.
»Ja, wenn das so ist!« Nicole sah den jungen Geheimagenten fröhlich an. »Dann weiß ich wirklich nicht, was ich mir Besseres wünschen könnte!«
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