Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
M itten im Regenwald von Queensland, über fünfzehntausend Kilometer von London entfernt, lehnte Modo seinen buckligen Rücken gegen den Stamm einer Würgefeige. Dann wickelte er sein Taschentuch fest um den Stummel seines linken kleinen Fingers. Der Säbel hatte den Finger sauber abgetrennt, und Modo war verblüfft, dass die Wunde kaum blutete. Der Schmerz allerdings drohte ihm völlig den Verstand zu vernebeln. Doch er war darauf gedrillt, Schmerzen auszublenden, und mit einigen tiefen Atemzügen gewann er wieder einen klaren Kopf. Er musste sich anderen Aufgaben zuwenden.
Zunächst einmal galt es, sich auf Knochenbrüche hin zu untersuchen. Er hatte Prellungen und Schürfwunden – das war nicht verwunderlich bei einem Sturz aus solcher Höhe –, aber als er seinen Körper systematisch abtastete, stellte er fest, dass nichts gebrochen war. Die Schutzbrille hatte seine missgestalteten Augen vor Stichwunden bewahrt, und dank der dünnen afrikanischen Holzmaske hatte sein Gesicht keine schlimmeren Verletzungen davongetragen. Beim Anheben des Dampfkessels hatte er sich die Hände verbrannt und sie waren von Brandblasen übersät, aber die würden verheilen.
Modo entdeckte einen langen Dorn, der in seiner Schulter steckte, und verzog das Gesicht, als er ihn herauszog und zu Boden warf. Beim Sturz aus dem Luftschiff war er überzeugt gewesen, dass der Aufprall auf dem Boden des Regenwalds seinen sicheren Tod bedeuten würde. Aber das Schicksal hatte sich gnädig gezeigt. Modo konnte sein Überleben nicht einmal seinen akrobatischen Fähigkeiten zuschreiben, denn er hatte während des gesamten Falls geschrien und wild mit den Armen gerudert wie ein verängstigtes Gänseküken.
Das grüne Dickicht aus Baumkronen, Schlingpflanzen und Laubwerk versperrte den Blick auf den Himmel, die Sonne und das Gefecht zwischen den beiden Luftschiffen über ihm. Selbst das Grollen der dampfbetriebenen Motoren war mittlerweile verstummt. Bei dem Gedanken an seine Gefährten flackerte Panik in ihm auf. War seine Agentenkollegin Octavia noch am Leben? Und sein Dienstherr Mr Socrates? Kämpften sie noch immer, um dem Kugelhagel der Feinde zu entkommen? Vor Modos innerem Auge tauchte Octavia auf, verwundet, und beinahe wäre er in angstvolles Schluchzen ausgebrochen.
Reiß dich zusammen!, ermahnte er sich. Behalte einen kühlen Kopf. Das Hier und Jetzt zählt. Das waren die Sätze, die Tharpa, sein Kampflehrer, ihm eingetrichtert hatte. Konzentriere dich darauf, was zu tun ist, nicht auf das, was du nicht ändern kannst. Das waren Mr Socrates’ Worte.
Modo nahm seine Umgebung in Augenschein: Büsche, holzige Schlingpflanzen, kniehohe und hoch aufragende Palmen, die mächtigen Wurzeln mächtiger Bäume – eine Vegetation, die ihm völlig unbekannt war. Es herrschte eine Stille, als würde der Wald den Atem anhalten. Modo vermutete, dass sein Geschrei und das Getöse seines Sturzes die Tierwelt verschreckt hatten. Hier und da war das Piepen eines Vogels, das Zischen einer Schlange zu hören, als der Dschungel allmählich wieder zum Leben erwachte.
Als Nächstes machte Modo eine Bestandsaufnahme seiner nützlichen Habseligkeiten. Er durchforstete seine Taschen und den Beutel, den er am Gürtel trug, und beförderte ein Messer, eine Schachtel Streichhölzer, eine Taschenuhr und einen Kompass zutage. Als er die Schutzbrille abnahm, musste er feststellen, dass eines der Gläser gesprungen war. Seine khakifarbene Kleidung erwies sich jetzt als zweckmäßig. Allerdings wusste er nicht, wie stark nachts die Temperatur fiel. Vermutlich würde er aber hier beim Schlafen weniger frieren als in der zugigen Gondel unter dem Ballon. Und der Kompass würde ihm zumindest helfen, sich zu orientieren. In einer Brusttasche fand er einen Graham-Cracker, und geräuschvoll verschlang er ein Viertel davon.
Modos Kenntnisse über Australien waren äußerst begrenzt. Er wusste nur, dass es jede Menge giftiger Tiere gab, deren Biss man keine Stunde überlebte. »Denen gehst du einfach aus dem Weg«, flüsterte Modo. »Du schaffst das, alter Junge.«
Die Geräusche der Tiere wurden lauter. Mutiger. Hier und da schien ein Zischen oder Fauchen sich zu nähern. Er hatte das Gefühl, als würden unzählige Augen jeden seiner Schritte beobachten.
Wenigstens schrecken sie nicht vor Entsetzen zurück, wenn sie mein Gesicht sehen, dachte er. Tiere konnten Hässlichkeit nicht wahrnehmen. Und trotzdem brachte er es nicht über sich, die Maske abzunehmen.
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