1203 - Die Höllenfratze
Braune Haare mit einem Schuss ins Rötliche, so dass die Strähnen immer wieder anders schimmerten, umrahmten das Gesicht mit den leicht unebenen Zügen, der etwas gebogenen Nase, der hohen Stirn, der scharf gespannt wirkenden Haut über den Wangenknochen und dem Mund mit den vollen Lippen, die so herrlich breit lächeln konnten.
Manche Menschen hatten Roberta nachgesagt, dass in ihren Augen ein dunkles Feuer glühte. Geheimnisvoll, als wären die Pupillen polierte Edelsteine, aber darüber konnte die Frau nur lachen, obwohl es sie zugleich mit Stolz erfüllte.
Ja, sie war stolz. Besonders aber auf ihren Körper, denn er war das Kapital der 30-jährigen. Er musste gepflegt werden.
Sie achtete darauf, nicht zuzunehmen, aber auch darauf, kein Gramm zu verlieren. Sonst war sie ihren Job los, und den liebte sie.
Roberta war aus der Dusche gekommen. Sie hatte sich abgetrocknet und danach eingecremt. Jetzt stand sie vor dem Spiegel, betrachtete sich, fuhr mal durch ihre Haare und beugte das Gesicht näher an den Spiegel heran, um erkennen zu können, ob sich in der Haut bereits die ersten Falten abzeichneten.
Nein, sie konnte keine entdecken. Noch nicht. Aber die war für manche Frauen eine böse Zahl. Da begann die Haut bereits erste Falten zu zeigen. Roberta war nicht so naiv anzunehmen, davon verschont zu bleiben, aber sie musste zugeben, dass ihre Haut noch sehr glatt war.
Keine Falten. Das war gut. Ein paar Jahre wollte sie ihren Job noch machen. Sie zeigte sich gern, und sie lernte dabei immer wieder neue Menschen kennen.
Die Creme sonderte den Geruch von Vanille ab. Sie nahm der Haut zudem die Trockenheit. So fühlte sich ihr Körper weich und geschmeidig an, und es bereitete ihr Vergnügen, mit den Handflächen darüber hinweg zu streichen.
Der Spiegel hing in ihrem kleinen Schlafzimmer, in dem auch das Bett stand. Ein Einzelbett, aber schon etwas Besonderes.
Nicht nur, weil sie es auf dem Flohmarkt erworben hatte, es war auch von der Form her besonders, denn es konnte mit gutem Gewissen als Himmelbett durchgehen, weil es einen Baldachin hatte.
Roberta hatte das Bett eigenhändig renoviert und seinen Metallrahmen und die Stangen mit heller Farbe gestrichen. Der Stoff des Baldachins wölbte sich leicht nach unten, so dass er aussah wie ein müdes Segel.
Roberta Carlini hätte zufrieden sein können, war es jedoch nicht. Es lag nicht an ihrem Äußeren, damit konnte sie schon gut leben, es gab noch so etwas wie ein Inneres, und das war ihrer Meinung nach nicht in Ordnung.
Sie war nervös. Sie war unruhig. Sie hatte ein ungutes Gefühl.
Etwas schien sich in ihrer unmittelbaren Nähe zusammen zu brauen, ohne dass sie wusste, um was es sich handelte.
Das war nicht mal neu. Sie hatte es in den letzten Tagen schon öfter erlebt. Obwohl sie allein lebte, hatte sie das Gefühl, nicht allein, sondern mit etwas Fremdem zusammen zu sein, das sie jedoch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Da waren möglicherweise Augen eines Wesens, das sie heimlich beobachtete. Ob von draußen oder von drinnen, konnte sie nicht genau sagen. Roberta hatte auch keine Beweise dafür, aber die Unruhe blieb und hatte sich in den letzten beiden Stunden sogar verstärkt, als wäre bald ein Punkt erreicht, der so etwas wie ein Ziel darstellte.
Sie lebte in einer sehr kleinen Wohnung. Zwei Zimmer, eine Dusche, das war es. Mit einem normalen Einkommen in London zu leben, glich manchmal einer Überlebenskunst, aber daran hatte sich Roberta gewöhnt. Mit ihren beiden Jobs kam sie einigermaßen gut zurecht.
Zehn Tage im Monat arbeitete sie in einem Krankenhaus als Nachtwache. Ansonsten verdiente sie ihr Geld als Modell. Ja, sie saß Modell. Akt. Junge Künstler oder Menschen, die nur aus Spaß das Malen lernten, schauten sie an, um sie dann zu malen.
Keine leichte Aufgabe für sie, denn das lange Stillsitzen bedeutete wirklich, den Körper zu beherrschen. Das hatte Roberta im Laufe der letzten beiden Jahre gelernt, und sie freute sich immer darüber, wenn man ihr Komplimente machte.
Bei dieser Arbeit musste sie ruhig sein, mehr als ruhig sogar.
Da konnte sie keine innere Unruhe gebrauchen, aber die war jetzt vorhanden, und Roberta nahm sie wie ein Druck wahr, den sie kaum ausgleichen konnte.
Sie fühlte sich nicht gut. Immer wieder stellte sie sich die Frage, warum die Nervosität über sie gekommen war. Es gab keinen Grund. Ihr Leben lief nach festen Regeln ab, daran hatte sie sich gewöhnt. Es hatte auch nie Ärger gegeben. Sie hatte
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