Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1230 - Psychofrost

Titel: 1230 - Psychofrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Minuswelt ist und nur als eine Art materielles Spiegelbild in unserem Universum existiert. Und dieses Spiegelbild ist von einem „Kokon" umhüllt - einem Kokon, der den Eisigen vor den Naturgesetzen unseres Kontinuums abschirmt und verhindert, daß er ihnen angepaßt wird.
    Kümmern wir uns nicht um diese theoretischen Erwägungen.
    Kümmern wir uns um die Praxis.
    Um Yürn. Er trug einen Raumanzug, und der Anzug war wie sein ganzer Körper von einer dünnen Schicht Raureif überzogen, und dieser Anzug bewahrte ihn vor dem sofortigen Tod. Denn an Bord der KISCH herrschte eine Temperatur von +20° Celsius, und was einem normalen Menschen angenehm erscheint, ist für einen Eisigen die Hölle.
    Obwohl durch einen rätselhaften Umstand davor geschützt, den Naturgesetzen des menschlichen Kosmos angepaßt zu werden, bleibt er von den Umwelteinflüssen nicht verschont. Zwischen Yürn und seiner Umgebung bestand ein extremes Temperaturgefälle, und dieses Gefalle drängte auf Ausgleich.
    Yürn drohte das gleiche Schicksal wie einer Kältemischung aus drei Teilen Eis und einem Teil Kochsalz, die der Umgebung Wärme entnimmt, sie also abkühlt, und bei diesem Prozeß schmilzt. Doch Yürn entging den tödlichen Folgen des Temperaturausgleichs. Die Außenseite seines Raumanzugs neutralisierte den Großteil der verhängnisvollen Schmelzwärme, und der Rest wurde von Yürn absorbiert, in eine neue Energieform umgewandelt und wieder an die Umgebung abgegeben als Psychofrost.
    Die Luft um Yürn, der Boden, auf dem er lag, alles kühlte extrem schnell ab. Der Rauhreifüberzug seines Raumanzugs wurde dicker, zu einer grauweißen Kruste, als die Luftfeuchtigkeit kristallisierte. Dann verflüssigte sich ein Teil der Atmosphäre. Gasschnee fiel zu Boden, und der Boden wurde unter der rasenden Abkühlung rissig. Endlich hatte sich die Außenseite des Raumanzugs der Umgebungstemperatur so weit angenähert, daß der Prozeß zum Stillstand kam. Wo Yürn lag, glitzerte Eis am Boden, an der Wand und der Decke, aber es fiel kein Gasschnee mehr. Und die tote Materie des Raumanzugs - von der gleichen Struktur wie Yürns Körpermaterie -gab nach und nach die aufgenommene Wärme an die inneren Schichten und schließlich an Yürns Haut, Fleisch und Knochen weiter, doch so langsam, daß der metamorphierte Organismus des Eisigen sie ohne Mühe in Psychofrost umwandeln konnte.
    Yürns Schmerzen ließen nach. Und der Psychofrost breitete sich unsichtbar und tödlich in der KISCH aus.
    Und ich fiel ihm zum Opfer - oder besser: Ich fiel der ersten von drei Komponenten des Psychofrosts zum Opfer, der psychomotorischen Komponente.
    Natürlich wußte ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts vorn Psychofrost und seinen Komponenten. Ich spürte nur seine Wirkung, und meine Seele gefror im gleichen Augenblick. Ich befand mich im Regieraum der KISCH, im Zentraldeck der Tenderplattform, und hatte soeben ein unerquickliches Gespräch mit dem verrückten siganesischen News-Entertainer hinter mich gebracht. Die Armadashow lief, und laut Drehbuch sollte die Berichterstattung über die Endlose Armada durch diverse Showeinlagen aufgelockert werden. Verantwortlich für diese Einlagen war Ravael Dong, und der erste von ihm inszenierte Unterhaltungsblock war von solchem Aberwitz, daß ich mich gezwungen sah, die Übertragung zu unterbrechen und durch Archivaufnahmen der Galaktischen Flotte aus M82 zu ersetzen. Aufnahmen, die die Endlose Armada kurz nach ihrem Auftauchen in der Nähe des Frostrubins zeigten.
    Wie dem auch sei auf seine exzentrische Weise beschwerte sich Dong bei mir, und nach dem Gespräch wurde mir blitzartig klar, daß Dongs Irrwitz genau das richtige Mittel war, die trägen Spießbürger Terras aus ihrer selbstzufriedenen Lethargie zu reißen. Eine Lethargie, die eine direkte Folge des perfektionierten Wohlfahrtsstaats war, der allen Bewohnern Terras Glück, Zufriedenheit und Lebenserfüllung gesetzlich garantierte. Ich haßte dieses Utopia, und ich hatte das Solsystem vor hundert Jahren aus diesem Grund verlassen. Der Perfektionismus erstickte mich. Für mich war das in der Verfassung verankerte Recht auf Glück unerträglich. Ich wollte aus eigener Kraft mein Glück machen.
    Ich wollte es nicht vorgesetzt bekommen. Ich sah die Gefahr der Degeneration, und ich zog hinaus zu den Sternen, um mich den Herausforderungen des Kosmos zu stellen. Und in all den Jahren dort draußen zwischen den Sonnen der Milchstraße nährte ich meinen Zorn auf Terras perfekten

Weitere Kostenlose Bücher