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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Überraschung in der Verrichtungsbox
    Das Kind schaute uns mit großen, dunklen Augen an. Pöppelbaum drückte den Auslöser seiner Kamera, während ich den Jungen stumm anstarrte. Es war gerade erst hell geworden, die Uhr zeigte noch keine sechs. Um uns herum waren massenhaft Polizisten und Ordnungshüter der Stadt zu einem Sondereinsatz zusammengezogen worden.
    Die angekündigte Polizeiaktion hieß: Schließung des Bierstädter Straßenstriches. Und genau auf dem befanden wir uns. Noch genauer gesagt: Wir standen in einer sogenannten ›Verrichtungsbox‹, in der die Straßenmädchen ihre Freier zu bedienen pflegten.
    Ich ging auf das Kind zu. »Was machst du denn hier?«
    Der Junge war sechs oder sieben Jahre alt.
    »Guck dir mal seine Sachen an«, raunte mir der Fotograf zu. »Das sieht ja aus wie …« Er stockte.
    »Blut!«, vervollständigte ich den Satz. Drei Meter trennten mich noch von dem Kind. Die Schlafanzugjacke des Kleinen war wild gemustert, sodass die Verfärbung nicht auf den ersten Blick auffiel.
    Plötzlich rannte der Kleine an uns vorbei auf die Straße und verschwand im Grau des Morgens.
    »Merkwürdig. Was macht ein Kind allein in einer Verrichtungsbox?«, wunderte ich mich. »Und warum um diese Uhrzeit? Irgendwas stimmt hier nicht.«
    »Messerscharfe Analyse, Grappa«, bestätigte Wayne. Er ging zu der Stelle, an der der Junge gestanden hatte, und inspizierte den Boden.
    »Hier ist kein Blut«, stellte er fest.
    »Bleib du hier«, bat ich. »Ich geh den Jungen suchen.«
    »Du kannst mich doch hier nicht allein lassen!«, protestierte Pöppelbaum.
    »Wenn du Angst hast, wende dich an die Bullen. Sind ja genug da«, rief ich und lief in die Richtung, in die der Junge verschwunden war.
    Die Juliusstraße wurde abends von Mädchen, Freiern und Neugierigen bevölkert. In den frühen Morgenstunden lag sie gewöhnlich grau, verlassen und ein wenig traurig da. An diesem Morgen aber wimmelte es von Polizei und Einsatzkräften des Ordnungsamtes. Auch die Mitarbeiterinnen der Sozialdienste waren angerückt, um die Schließung des Straßenstriches zu beobachten.
    »Haben Sie einen kleinen Jungen gesehen?«, fragte ich auf gut Glück einen Polizisten.
    »Nee, das ist doch hier kein Kinderstrich!«, meinte er unfreundlich. »Oder suchst du ’nen Freier?«
    »Wie bitte?«
    Er musterte mich. »Entschuldigung. Dazu biste zu alt. Obwohl … manche Freier stehen auf Gerontosex.«
    Er lachte dreckig und schaffte es ohne Verzögerung auf meine schwarze Liste. Und zwar gleich in die Ehrenloge.
    »Zeigen Sie mir Ihren Ausweis«, forderte ich. »Ich möchte gern wissen, mit welchem Spaßvogel ich es zu tun habe.«
    Ein Beamter von der Polizeipressestelle näherte sich.
    »Lass ma, Kollege. Das ist Frau Grappa vom Tageblatt. Die kennt hier jeder. Außer dir, weil du erst zwei Wochen hier bist. Tach auch, Frau Grappa.«
    Der Charmebolzen bekam einen roten Kopf.
    »Ihren Ausweis bitte«, wiederholte ich lächelnd. »Oder muss ich den Präsidenten anrufen?«
    Brav zeigte der Mann sein Papier. Lothar Krüger. Polizeiobermeister.
    »Sie sollten an Ihren Umgangsformen arbeiten, Herr Krüger«, riet ich ihm. »Sonst ist es ganz schnell vorbei mit Ihrer Karriere bei der Polizei. Ich werde Ihr Wirken ganz sicher im Auge behalten.«
    Krüger wollte etwas entgegnen, doch der Beamte von der Pressestelle hielt ihn davon ab: »Danke, Kollege, du kannst jetzt gehen.«
    »Ein echtes Schätzchen.« Ich sah ihm nach.
    »Krüger ist gar nicht so übel. Rau, aber herzlich.« Dem Pressepolizisten fiel es sichtlich schwer, seinen Kollegen zu verteidigen.
    »Ja, er hat eine geschliffene Ausdrucksweise. Aber egal. Ich suche ein Kind. Einen Jungen«, kam ich zur Sache. »Sechs oder sieben Jahre alt. Er muss in diese Richtung gelaufen sein.«
    »Um die Zeit läuft hier kein Kind rum. Das wäre mir aufgefallen.«
    »Ich hab den Jungen eben bei den Verrichtungsboxen bemerkt. Mir schien er etwas verwirrt oder vernachlässigt«, antwortete ich. »Vielleicht braucht er Hilfe.« Den großen Blutfleck auf der Kleidung erwähnte ich nicht.
    »Ich werde die Kollegen bitten, die Augen offen zu halten«, versprach er. »Vielleicht ist der Junge ein Romakind. Davon lungern hier viele rum.«
    An der Juliusstraße standen an beiden Seiten mittelhohe Bäume, die in vollem Grün sprossen. Die Straße führte zu einem Gelände, auf dem sich Gewerbebetriebe angesiedelt hatten. Wohnungen gab es hier schon lange nicht mehr. Die Huren und die Freier, die hier

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