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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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käseweiß vor Schrecken neben der untersten Stufe sitzen blieben und dem hektischen Geschehen zusahen. Malwine gellte immerfort spitz: »Iiiiih —iiiih !« , und Uwe plärrte, als Schwester Monika ihn unsanft auf den Boden setzte, um hinterherzulaufen. Selbst Frau Martha schloß sich an. Der arme Esel, der eben noch, das Glück der Freiheit kaum ganz fassend, mit tiefem Genuß Rose um Rose verspeiste, fühlte Steine auf sich niederhageln, Tritte, Schläge. Die Jungen waren wie verrückt, selbst Malwine hatte ein Ohr erwischt und zog nach Leibeskräften. Das Rosenbeet, Frau Marthas ganzer Stolz, in das der Esel eine immerhin erst bescheidene Lücke gefressen hatte, fiel nun restlos seinen Rettern zum Opfer. Bis endlich einer rief: »Da steht noch ‘n Esel« und die ganze wildgewordene Bande eine Kehrtwendung machte und sich mit Geheul auf das nächste Opfer stürzte. Dieser Esel hatte wenigstens einen kleinen Vorsprung. Krachend flüchtete er ins Gebüsch, die Verfolger dicht hinter sich. Äste prasselten. Leo, der Faule, prügelte sich gar nicht faul mit Hubert um einen Stecken, den jeder zuerst gebrochen zu haben behauptete. Ferdi hatte nur zusehen wollen, doch selbst ihn riß der allgemeine Trubel mit. Immer mehr Esel tauchten auf. Schon waren die Verfolger weit verstreut. Steine flogen über die Wege. War es Zufall, daß Frau Martha am Ohr getroffen wurde, am Bein? Irgendwo gellte Mädchenlachen auf, höhnisch, schadenfroh, »Iii-aaa«, heulte es, langgezogen, unten aus der Sandgrube.
    »Iaa !« schrie es, mark- und beinerschütternd, hinterm Schuppen, aus dem Birkenwäldchen, unter den Buchen am Waldrand, im Kartoffelacker.
    Esel, Esel, Esel.
    Dazwischen die tobenden Kinder, jetzt alle mit Knüppeln versehen und die Opfer womöglich noch überbrüllend.
    »Schmeißt sie ‘raus !«
    »Immer druff!«
    »Verschwindet, ihr Biester !«
    »Satanspack — Teufelsbrut!«
    Johlendes Jagen. Aber da niemand wußte, wohin er jagte, es auch niemand kümmerte, zu welchem Zweck er schlug und Steine warf und schrie, ergab sich eine ziellose Hetze durch Beete und Büsche, durch den Bach und die kleine Schonung, unterm Stacheldraht durch und eine Sandgrube hinab — immer rund, immer rund, kopflos flüchtende Esel voran, grausame junge Bestien hinterdrein, knüppelschwingend, zuschlagend, blind, keuchend vor Wonne über das jähe Sprengen aller Fesseln.
    Don Chaussee versuchte die Tiere zu schützen. Er schrie die Kinder an. Pfeifen und Grölen antwortete ihm. Wieder flogen Steine, hinter einem Baum her und aus dem Gebüsch. Niemand ließ sich jetzt mehr halten — schon gar nicht von diesem Hammel, der wie ein Zirkusclown herumlief und hier überhaupt nichts zu sagen hatte. Und wenn er sie wirklich von einem Esel wegscheuchte, so waren ja reichlich andere da, ein ganzer Park voll, nicht zu zählende Mengen, und wenn zufällig gerade kein Esel da war, bereinigte man untereinander alte Rechnungen. Jetzt, wo keiner dreinreden konnte, jetzt endlich...
    Nach mehr als einer Stunde gelang es Schwester Monika und Frau Martha, deren Kittel blutbefleckt war, die Kinder auf der Terrasse zu versammeln. Don Chaussee sah sie vom Fenster seines Zimmers aus kommen: mit hochroten Köpfen und wirren Haaren, die besten Anzüge verdreckt, die Schuhe und Strümpfe naß, zerrissen, Arme und Gesichter voll roter Striemen von den Ästen, von Brombeerzweigen zerkratzt. Er hörte die Stimme seiner Frau, empört und schreiend, und er hörte Schwester Monika jammernd nach dem Verbandkasten laufen.
    Er war entsetzt. Nicht über die zerfetzten Kleider oder die aufgeschlagenen Knie — die Augen der zögernd Näherkommenden entsetzten ihn: das wilde Leuchten darin, das Funkeln von Grausamkeit und Verfolgungsrausch, das feige Mißtrauen, mit dem sie voneinander wegsahen; das Keuchen aus den zusammengepreßten oder aufgerissenen Mündern, die heiß und trocken waren vom Schreien; die weißen Knöchel, die sich um die Knüppel krampften; die schief verzogenen Lippen.
    Da war der heiße Haß, der eben noch unter der dicken Decke von Mißmut und Feigheit schwelte. Nicht die Esel waren gemeint gewesen. Der Haß hatte sich ein Ventil gesucht.
    Sie trotteten in den Käfig zurück — für diesmal. Sie ließen sich ausschelten, umkleiden, ohrfeigen und in die Kirche schicken, wo sie doch nichts anderes hören, fühlen, sehen würden als das Erlebnis dieses Morgens: zum erstenmal nicht getreten worden zu sein, sondern selbst zu treten.
    Don Chaussees gleichmütige

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