13 Tante Dimity und die Jagd nach dem Vampir (Aunt Dimity: Vampire Hunter
wenn man Kopf, Arme und Beine weglässt, was bleibt dann noch übrig, damit dieser Baum als Mann durchgehen könnte?«
»Deine Söhne sind äußerst fantasievoll«, wandte Kit ein.
»Mit ihrem Augenlicht ist auch alles in Ordnung«, konterte ich.
»Wir könnten noch ewig über diesen Baum diskutieren.« Kit klang leicht verschnupft. »Aber du kannst nicht bestreiten, dass es hier keine Fußabdrücke gibt.«
»Allerdings kann ich das«, erwiderte ich. »Sieh mal.«
Ich ging ein paar Schritte über die toten Blätter, die die gesamte Fläche der Lichtung bedeckten, drehte mich um und schaute prüfend auf den Boden. Die Eindrücke, die meine Wanderstiefel hinterlassen hatten, waren kaum wahrnehmbar.
»So viel zu deinen Künsten im Fährtenlesen«, sagte ich. »Die Blätter sind so nass und schwammig, dass jemand wohl hundertfünfzig Kilo wiegen müsste, um hier einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Auf Wills Zeichnung ist Rendor spindeldürr. Er hätte schon auf und nieder springen müssen, damit seine Fußabdrücke zu sehen gewesen wären.«
»Lass mich mal«, sagte Kit und trat vor.
Nachdem sein Experiment dasselbe Ergebnis gezeitigt hatte, stemmte ich die Hände in die Hüften und schürzte die Lippen wie eine tadelnde Erzieherin.
»Du solltest dich schämen, Kit«, sagte ich. »Du bist davon ausgegangen, dass die Zwillinge eine Geschichte erfunden haben, und deshalb hast du die Sache nicht gründlicher untersucht. Kein Wunder, dass du keine Hinweise gefunden hast.«
»Vielleicht habe ich ein oder zwei Details übersehen«, murmelte Kit missmutig.
»Nur ein oder zwei?«, sagte ich mit erhobenen Augenbrauen. »Ich hoffe nur, dass der Regen die Hinweise, die du sonst noch übersehen hast, nicht bereits fortgespült hat.«
Kit lehnte sich an den Apfelbaum und sah leicht gelangweilt zu, wie ich den Boden und das Gestrüpp nach Beweisen dafür inspizierte, dass die Jungen ihre Geschichte nicht erfunden hatten. Als ich einen zusammengedrückten Giftpilz entdeckte, machte mein Herz einen Satz und ich kniete mich hin, um ihn näher zu betrachten. Plötzlich spürte ich einen leichten Schauder. Denn am schlammbedeckten Rand des Pilzes sah ich einen v-förmigen Abdruck, der durchaus von der Stiefelspitze eines erwachsenen Mannes stammen konnte.
»Kit?«, rief ich unsicher. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden.«
Ich blieb hocken, während sich Kit hinabbeugte, um meinen Fund zu begutachten. Als er sich wieder aufrichtete, erwartete ich, dass er Heureka! rief und sich unter Tränen dafür entschuldigte, jemals an meinen Söhnen gezweifelt zu haben, aber er tat nichts dergleichen.
»Interessant«, meinte er mit einem gleichmütigen Schulterzucken. »Aber Pilze können auch von Waldtieren zusammengedrückt werden, und der Abdruck ist nicht deutlich genug, um ihn tatsächlich einem Stiefel zuzuordnen.«
»Für mich ist er deutlich genug«, sagte ich kühl. »Und ich werde herausfinden, wohin er führt.«
Wütend schob ich ihn zur Seite und folgte der Spitze des v-förmigen Abdrucks in den Wald. Natürlich hätte ich mich besser im Schneckentempo fortbewegen sollen, um den nassen Boden nach weiteren Spuren abzusuchen, aber ich ärgerte mich zu sehr, um klar zu denken. Wie konnte Kit meine hervorragenden Indizien nur so abtun? Warum konnte er nicht einfach zugeben, dass er einen Fehler gemacht hatte? Es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, so ablehnend, selbstgerecht und missmutig zu sein, und doch hatte er sich unter dem Apfelbaum von all diesen drei Seiten gezeigt. Vielleicht nagte die Gegenwart von Nells Verehrern doch an ihm, dachte ich.
Wie auch immer, ich hatte nicht vor, mich von seinen Zweifeln beirren zu lassen. Als ich hörte, dass er mir folgte, verlangsamte ich mein Tempo nicht, sondern ging noch schneller und schlug mich durch das Unterholz, bis ich über die Zweige eines wilden Rosenbuschs stolperte und mit dem Kopf voran einen Hang hinabrutschte, auf eine weitere, viel größere Lichtung.
Mit einem dumpfen Platschen landete ich auf einem Erdhügel, der mit langen, regennassen Blättern bedeckt war. Einen Augenblick lang blieb ich liegen und fühlte mich ziemlich dämlich und ärgerlich zugleich, aber als ich schließlich den Kopf hob, überkam mich die nackte Angst. Meine Nasenspitze befand sich wenige Zentimeter entfernt von einem verwitterten Gesicht auf einem halb zerfallenen Grabstein. Der kleine Erdhügel war ein Grab.
Ich stieß einen Schrei aus, der die Toten hätte aufwecken können,
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