145 - Mädchen, Monster, Sensationen
Fay zog sich mit der gekonnten, sorgfältig einstudierten Raffinesse aller Stripperinnen aus. Bei ihr stimmte jede Bewegung. Alles, was sie tat, war auf den bestmöglichen Effekt abgestimmt.
Ihre Show sollte im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut gehen, und das tat sie. Niemand blieb davon unberührt. Keiner schaffte es, wegzusehen, wenn Fay Cannon ihre Nummer präsentierte.
Sic war ein Star der Nacht, eine Frau mit dem gewissen Etwas, mit einer Ausstrahlung, die jeden traf. So mancher weibliche Gast beneidete sie darum, denn die Begleiterinnen waren bei den Männern abgemeldet, sobald Fay die Bühne betrat und loslegte.
Es war ein moderner, lasziver Tanz der sieben Schleier, den Fay vorführte. Sie ließ nichts, was Wirkung hatte, aus, schien mit der männlichen Psyche bestens vertraut zu sein. Sie entblätterte sich mit einer aufreizenden, enervierenden Trägheit.
Alles ging so langsam, daß so mancher Gast am liebsten aufgesprungen und zu ihr geeilt wäre, um ihr den restlichen Stoff vom Körper zu reißen.
Immer mehr nackte Haut ließ Fay sehen. Eine Haut, die einen seidigmatten Glanz hatte. Sie tänzelte auf zierlichen, kleinen Füßen an den Tischen vorbei, und wenn ein Mann sich nicht beherrschen konnte und nach ihr griff, zog sie sich rasch zurück.
Niemandem gelang es, diesen sündhaft schönen Körper zu berühren.
Die Männer hatten einen wahr gewordenen Traum vor sich, den sie mit glänzenden Augen anstarrten, während Fay sich der letzten Hülle entledigte.
Nackt, wie ihr Schöpfer sie geschaffen hatte, stand sie da. Bei anderen Striptease-Girls war an diesem Punkt die Show zu Ende, doch bei Fay ging sie weiter. Jetzt kam erst der gruselige Teil ihrer Darbietung.
Die Musik veränderte sich, nahm einen schrillen, dissonanten Klang an, der allein schon geeignet war, eine Gänsehaut hervorzurufen. Fays Bewegungen veränderten sich.
Da war nichts Weiches, Geschmeidiges, Katzenhaftes mehr. Sie lockte, verführte auch nicht mehr. Aggression zeigte sich nun - Bedrohungen, Feindseligkeit.
Dieser nackte, wundervolle Körper schien nicht einmal von bösen Kräften durchpulst zu sein. Was für eine wandlungsfähige Künstlerin! mochten die Gäste denken.
Fay beherrschte die Körpersprache meisterhaft. Sie »redete« mit den Zuschauern jetzt ganz anders als vor wenigen Augenblicken. Sie erweckte den Eindruck einer bösen, grausamen Teufelin, der alles verhaßt war.
Leise, zischende Laute kamen aus ihrem Mund. Ihre Augen begannen auf eine geheimnisvolle Weise zu leuchten. Man hätte meinen können, sie würden auch größer.
Das war der »Creepy-Trick«, den sich niemand erklären konnte. Ein streng gehütetes Geheimnis der Künstlerin. Niemand wußte, wie sie das machte.
Wirklich zaubern kann kein Mensch, das war allen klar. Fay konnte den Gästen lediglich eine verblüffende Illusion bieten, und so mancher hätte ihr liebend gern in die Karten geschaut, um seine Neugier zu befriedigen.
Fay preßte die Arme gegen ihren nackten Leib als hätte sie Schmerzen. Sie krümmte sich, zitterte, und eine unsichtbare Faust schien sie brutal zu Boden zu drücken.
Es hatte den Anschein, als würde sie sich dieser mysteriösen Kraft widersetzen wollen, aber sie war nicht stark genug, um ihr zu trotzen. Ächzend sank sie auf die Knie und stützte sich mit den Händen ab.
Mit den Händen?
Ein Raunen ging durch das Lokal, und jene, die es genau sahen, weil sie weit genug vorne saßen, hielten unwillkürlich den Atem an, denn Fays Hände hatten sich verfärbt.
Trug sie auf einmal Handschuhe? Wann hatte sie die angezogen? Man hatte ihr doch die ganze Zeit mit höchster Aufmerksamkeit zugesehen.
Ein billiger Schwindel war nicht möglich gewesen, und doch hatte Fay plötzlich häßliche erdfarbene Klauen mit erschreckend langen spitzen Krallen, Doch das war erst der Anfang, nichts im Vergleich mit dem, was noch zu erwarten war.
Die Creepy Show war der absolute Hammer, hieß es. Es gab Leute, die ließen sich keinen Auftritt der einmaligen Künstlerin entgehen.
Abend für Abend kamen sie hierher, hoffend, irgendwann von der Show unbeeindruckt zu bleiben, nicht mehr abgelenkt zu werden und hinter die geheimnisvollen Kulissen zu sehen.
Aber Fay Cannon schlug sie immer wieder mühelos in ihren Bann. Sie faszinierte sie so sehr, daß es ihnen so vorkam, als wäre ihr Geist völlig benebelt.
Der Trick war nicht zu durchschauen, weil es kein Trick war, aber das wußten die Zuschauer nicht. Sie hofften weiter, zu
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