1335 - Mandragoros Liebeshexe
eine Weile blieb sie in dieser Position. Sie schaute nach unten. In ihren grünen Augen war kein Gefühl zu erkennen.
Sie sah auf ein blutiges Gesicht. Der Mund stand offen. Um die Lippen herum verteilte sich das Blut, das seinen Weg durch die Öffnung gefunden hatte.
Der lange Dorn hatte viel im Innern des Kopfes zerstört. Aber er war nicht durch die Haut nach außen gedrungen, sodass sie so aussah wie immer.
Liane schwang sich locker von der Couch. Sie blieb für einen Moment stehen und schüttelte ihr Haar aus. Noch immer ragte der breite Dorn aus ihrem Mund, und die unbewegliche Person erinnerte bei diesem Anblick an eine obszöne Plastik.
Sie tat nichts mehr. Nichts, was sie noch hätte erledigen müssen.
Es war alles getan worden, und mit einer langsamen Bewegung drehte sie sich herum.
Dem Mann auf der Couch gönnte sie keinen Blick mehr. Er war für sie erledigt. Es gab nichts mehr, was sie noch interessierte. Aber sie hatte wieder mal ein Zeichen gesetzt. Das zweite insgesamt. Sie hatte es den Menschen gezeigt, dass sie sich nicht so benehmen konnten, wie sie wollten. Auch sie mussten Regeln einhalten. Taten sie das nicht, mussten sie die Konsequenzen tragen.
So war es auch Luke Simmons ergangen, der sich wer weiß wie gefühlt und aufgespielt hatte. Er war so etwas wie ein kleiner Herrscher oder King gewesen, aber den Zahn hatte sie ihm gezogen.
Eiskalt hatte sie seine Schwäche ausgenutzt wie auch bei dem Typ, der vor knapp einer Woche ums Leben gekommen war.
Liane war zufrieden.
Sie schaute auf das Handy, das auf dem Tisch lag. Er hatte mit seiner Frau telefoniert, das war ihr schon klar gewesen, auch wenn er es nicht hatte zugeben wollen.
Die Witwe sollte froh darüber sein, dass sie mit ihm nichts mehr zu tun hatte. Seine Ehe war auf einer Lüge aufgebaut, die sich auch nicht mehr zurücknehmen ließ.
Sie ging ins Bad.
Auf dem Stuhl lag ihr Kleid.
Es bestand aus einem grünen Stoff, der für den Wald ideal als Tarnfarbe war. Gelassen streifte sie es über und schlüpfte auch in die geflochtenen Schuhe.
Dass sie Spuren wie Fingerabdrücke hinterlassen hatte, störte sie nicht. Man würde die Hütte auf den Kopf stellen und sie von vorn bis hinten untersuchen. Man würde auch etwas finden, aber genau das, wonach die Spezialisten suchten, würden sie nicht zu Gesicht bekommen.
So musste es sein.
Liane hoffte auch, dass der zweite Tote als Warnung für die anderen Typen ausreichte. Wenn nicht, würden weitere Leichen folgen.
Mit diesem Gedanken verließ Liane die Hütte und ging durch die dichten Schatten der Dämmerung in den noch dichteren Wald hinein…
***
Als Glenda Perkins mein Büro betrat, knabberte sie an einem Keks und trank dazu Kaffee.
Auch ich hatte eine Tasse mit der braunen Brühe vor mir stehen und lächelte Glenda zu.
Sie nahm auf der Schreibtischkante Platz. »Ist Suko inzwischen gegangen? Oder kommt er noch mal wieder?«
»Heute nicht mehr. Der war schon die ganze Zeit über nervös. So habe ich ihn selten erlebt. Ich konnte das nicht mehr aushalten und schickte ihn weg.«
Glenda stellte die Tasse hin. Von ihrem brombeerfarbenen dünnen Pullover entfernte sie einige Kekskrümel. »Das kann ich verstehen. Er ist wahnsinnig glücklich darüber, dass Shao endlich aus dem Krankenhaus entlassen wird und die Verletzung gut überstanden hat. Ich war zwei Mal bei ihr. Sie ist toll verheilt.«
»Das war zu wünschen.«
»Ja«, gab Glenda nachdenklich zu. »Aber wenn ich daran denke, wie es passiert ist, bekomme ich noch nachträglich eine Gänsehaut. Da wurde ihr tatsächlich ein Messer in die Schulter gerammt, und der Täter konnte nichts dafür, weil er unter der Kontrolle eines anderen stand.«
»Und der ist wieder frei!«
Glenda schloss für einen Moment die Augen. Sie wusste, dass ich damit einen Mann namens Saladin gemeint hatte. Einen Hypnotiseur, der im Auftrag des Schwarzen Tods junge Menschen unter seine psychische Kontrolle gebracht hatte, sodass sie nur seinen Befehlen und Anordnungen gehorchten. Er hatte ihnen Mordbefehle gegeben, die sie auch ausführen wollten. Dass es dazu nicht gekommen war, lag an uns und auch an dem Glück, das wir gehabt hatten.
Leider war der Fall nicht beendet. Es war nicht möglich gewesen, Saladin etwas nachzuweisen, und so hatte man ihn wieder laufen lassen müssen. Das wusste ich von einer Freundin, der Staatsanwältin Dr. Purdy Prentiss, die mich schon zuvor darauf hingewiesen hatte.
»Du denkst an Saladin!«, stellte Glenda
Weitere Kostenlose Bücher