1344 - Das Ende der Hybride
Olafson. „Er hat sich vom Schock der Todesnachricht wieder erholt."
Ich erkannte plötzlich das Motiv des Mordanschlags. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht glauben wollen, daß der Anschlag in Wirklichkeit mir gegolten haben sollte. Jetzt schloß sich ein logischer Kreis. Ich wußte aber auch im gleichen Moment, daß ich die Wahrheit diesem Inspektor auf keinen Fall mitteilen durfte. Ich wußte eine Menge über die Vorkommnisse in Estartu. Bestimmt handelte es sich dabei nur um Bruchstücke, aber sie konnten ausreichen, um dem neuen Sotho Probleme zu bereiten, wenn ich mich gegenüber den Vertretern des Galaktikums darüber äußern würde. Womöglich war ich die erste und einzige Vironautin, die mit konkretem Einzelwissen über die Mächtigkeitsballung Estartu in die Milchstraße zurückgekehrt war und die berichten konnte, daß es mit den Wundern etwas ganz anderes auf sich hatte.
Ich stellte also eine potentielle Gefahrenquelle dar. Tyg Ian mußte davon erfahren haben. Er hatte mir diesen Killer auf den Hals gehetzt, diesen Shad Oliver Grueter, der aus den Überlebenden der TSUNAMI-113 rekrutiert worden war.
Es war unmöglich, einem kleinen Polizei-Inspektor diese galaxisübergreifenden Zusammenhänge zu verdeutlichen. Jedes Wort darüber hätte mich noch unglaubwürdiger gemacht. Aber nicht nur das. Ich konnte mir vorstellen, daß Vertreter des Galaktikums bereits nach mir suchten, um mich auszuhorchen. Ich hatte mich unbemerkt nach Terra absetzen können und eine falsche Spur, die nach Siga wies, hinterlassen.
Ich wollte meine Ruhe. Und ich wollte Comanzatara wiederfinden.
„Nun?" drängte Olafson weiter. Dabei nahm er das Bild wieder von meinen Augen weg.
„Du hast einen Zweifel beseitigt", räumte ich ein. „Der Anschlag galt mir. Aber ich kann dir keinen Grund dafür nennen. Vielleicht war dieser Grueter wahnsinnig."
„Es gibt keine wahnsinnigen Shada!" widersprach der Terraner heftig.
„Es mag sein." Ich resignierte scheinbar. „Aber eine Erklärung für dieses gescheiterte Attentat habe ich dennoch nicht. Ich habe nie mit einem Shada zu tun gehabt. Ich bin der Upanishad-Lehre stets ausgewichen."
Er erhob sich und nahm eine drohende Haltung ein.
„Rück endlich mit der Wahrheit heraus, du mickriger Zwerg!" brüllte er plötzlich.
Ich drehte den Verstärker wieder bis zum Anschlag und antwortete betont gelassen: „Man schreit eine Dame nicht an, Inspektor! Solche Verhörmethoden sind unzulässig!"
„Zurück in deine Zelle!" Er winkte einem Roboter.
Ich sah das Bild im Geist noch vor mir und versuchte, die Einzelheiten in mein Bewußtsein zu rufen, die ich in der kurzen Zeitspanne gar nicht alle hatte erfassen können. Und plötzlich durchzuckte es mich.
„Warte!" bat ich und drehte meine Lautstärke wieder zurück. „Ich glaube, ich habe etwas entdeckt."
Er stutzte zunächst, aber dann gab er dem Roboter ein Zeichen und hielt die 3-D-Aufnahme in die Höhe.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Am rechten Bildrand streckte eine Pflanze ihren dunkelblauen Blütenkopf in die Höhe.
Sie war nicht zur Gänze abgebildet worden, aber es gab keinen Zweifel.
Das war Comanzatara!
Mir stockte fast der Atem. Ich konnte meine Erregung kaum verbergen.
Diese Tatsache eröffnete völlig neue Perspektiven. Ich hatte Comanzatara zuletzt auf Tahun vermutet, wo sie sich wieder einmal aus dem Staub gemacht hatte.
Comanzatara war in der Nähe des Berghofs Soeremud gewesen, als Grueter den Anschlag auf mich verüben wollte!
Diese Erkenntnis war fast ungeheuerlich. Meine Gedanken überschlugen sich. Sie konnte sich räumlich versetzen.
Ich stützte die Hände in mein Gesicht und versuchte krampfhaft, meine aufgewühlten Gefühle zu beruhigen.
„Was ist los?" drängte Morton Olafson. „Sprich, Jizi Huzzel!"
„Nichts", erklärte ich matt. „Mir ist erst jetzt richtig klargeworden, in welcher Todesgefahr ich mich in diesem Augenblick befunden habe. Das ist alles, Inspektor."
„Du verschweigst mir etwas."
„Nein!" sagte ich nur.
Der Inspektor winkte den wartenden Roboter heran, und dieser brachte mich in meine Zelle zurück.
*
Keine zwei Stunden später saß ich wieder vor Morton Olafson. Der Inspektor setzte eine triumphierende Miene auf. Neben ihm hockte ein kleiner und etwas dicklicher Terraner mit einer Halbglatze. Beide hielten je eine Kopie des bewußten Bildes in ihren Händen. Eine dritte Aufnahme war so auf dem Schreibtisch aufgestellt worden, daß ich sie mühelos sehen
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