1391 - Die Nacht des Pfählers
aus. Dabei kreuzte sie ihre ausgestreckten Zeigefinger und flüsterte: »Los, versuch es noch mal. Komm… komm her. Beiß die Hexe! Los beiß sie!«
»Nein!«, flüsterte Jossip. »Aber wir werden dich töten. Wir hassen Hexen. Wir werden dir das Genick umdrehen, verdammt! Du kannst uns nicht entkommen!«
Dunja erstarrte.
Ihr war klar, dass die beiden keinen Spaß machten. Ihr Hass war einfach zu groß.
Sandro, der immer im Schatten seines Bruders Jossip stand, handelte als Erster. Bevor sich Dunja versah, war er bei ihr. Beide Hände zugleich drosch er in ihren Rücken. Der Stoß katapultierte sie nach vorn, genau in Jossips auffangbereite Arme.
Ein letzter Ausfallschritt nutzte der Hexe auch nichts. Jossip hielt sie hart umklammert.
Vor seinem Gesicht mit den beiden Zähnen fürchtete sie sich nicht. Dafür aber von seinem Griff, den er blitzschnell veränderte, denn plötzlich umspannten seine Pranken ihren Kopf.
»Das Genick werde ich dir brechen. Das Genick, du verfluchte Hexenhure…«
***
Wir hatten zwar nicht alles verstanden, aber wir waren ungesehen an den Ort des Geschehens herangekommen und standen jetzt so nahe, dass uns niemand etwas zu erklären brauchte.
Hier wollten zwei Vampire töten. Im ersten Anlauf hatten sie es nicht geschafft. Das Blut der Opfer war für sie nicht bekömmlich, was auch Suko und mich im Moment durcheinander brachte. Der Frau gaben wir trotzdem nicht viele Chancen. Sie dachte nicht mehr an Gegenwehr, und was der Blutsauger genau mit ihr vorhatte, das erkannten wir an seinem Griff. Da musste er uns nicht viel erklären.
Der zweite Typ stand ebenfalls bereit. Beide waren so auf die Frau konzentriert, dass sie für die neblige Umgebung keinen Blick hatten und auch uns nicht sahen. Hinzu kam der Nebel, der einen dunstigen Vorhang bildete.
»Ich nehme ihn!«, flüsterte Suko mir zu. Er deutete dabei kurz auf Jossip.
Ich war einverstanden. Dazu brauchte ich nicht mal zu nicken.
Wir starteten zugleich.
Im Nu änderte sich die Szene, und ich sah noch, wie von Suko etwas abflog. Zumindest hatte es den Anschein. Es war sein Arm, und es war die Faust, die voll traf.
Ich hörte das Klatschen und sah, wie der Vampir zur Seite flog und im nächsten Moment von Suko angesprungen wurde. Was dann geschah, bekam ich nicht mit, denn da gab es noch den zweiten, der seinen Kopf drehte und mir ins Gesicht starrte.
Dunkle Augen, ein offener Mund, zwei spitze Zähne, die aus dem Oberkiefer ragten.
Es war genau das, was einen Vampir ausmachte.
Der Schuss aus der Beretta würde ihn zur Hölle schicken. Ich hatte die Waffe während des Sprungs gezogen, aber der Typ reagierte schneller, als ich gedacht hatte.
Er schleuderte sich nach links, und dort gab es das verdammte Unterholz. Der Sprung hinein war schon tollkühn, und mich überkam der Eindruck, als würde sich ein Vorhang senken, was wieder auf den verdammten Nebel zurückzuführen war.
Zum Schuss war ich nicht gekommen, also musste ich die Verfolgung aufnehmen. Er hatte auch in Richtung Auto laufen können, dann wäre es für mich leichter geworden. Genau das tat er nicht. Er huschte hinein in das Unterholz und durchbrach es wie ein Berserker. Dass er flüchtete, ließ erkennen, wie wenig sicher er sich fühlte.
Möglicherweise war er noch nicht an seine neue Existenz gewohnt.
Egal, was auch los war, ich wollte ihn stellen. Ein Vampir durfte auf keinen Fall frei herumlaufen.
Die Dunkelheit, der Nebel – beides erwies sich als großer Vorteil für ihn. Er tauchte ein wie in einen breiten Tunnel. Ich sah ihn schon nach den ersten Metern nicht mehr und konnte mich nur anhand der Geräusche orientieren.
Wie sperrig das Unterholz war, merkte ich, als mir harte Gegenstände vor den Körper schlugen. Ich riss unwillkürlich die Arme hoch, um mein Gesicht zu schützen, duckte mich auch und drehte mich beim Laufen etwas zur Seite.
Meine Füße schaufelten das Laub in die Höhe, und wenig später konnte ich mich wieder aufrichten. Da hatte ich den Ring hinter mir gelassen und sah vor mir die hohen Bäume des Waldes.
Durch den Nebel schienen die schwarzen Stämme miteinander verbunden zu sein. Eine Lücke zu entdecken, war für mich fast unmöglich, aber auch der Vampir wollte weiter, und geräuschlos schaffte er das nicht. Zudem sah ich hin und wieder einen dunkleren Schatten, der sich nach vorn bewegte, aber auch immer mal zu den Seiten hin auswich, um so in Lücken stoßen zu können.
Ich blieb ihm auf den Fersen, ohne auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher