1403 - Die fliegenden Menschen
sagte eine der alten Frauen. „Das Schlimmste hast du hinter dir, und der Rest ist nur noch halb so schlimm."
Covar Inguard hatte größte Mühe, ihr das zu glauben.
Später sagte man ihm, daß die Vorfahren Geheimnisse gekannt hatten, mit deren Hilfe sich die ganze Prozedur einigermaßen bequem und schmerzlos vollziehen ließ. Es gab gewiß auf ganz Bugaklis niemanden, der den Geheimnissen der Altvorderen so sehr nachtrauerte, wie Covar Inguard es tat.
Es dauerte viele Tage, bis all die komplizierten, verzwickten Muster der Menetekel auf seinem Rücken prangten.
Manchmal gönnte man ihm ein paar Tage Zeit, damit er sich erholen konnte, aber allmählich glaubte er, sie würden das Werk nie zu Ende bringen. Er war sehr erstaunt, als sie ihm eines Tages verkündeten, daß es vollbracht sei. Mit Hilfe von zwei spiegelnden Metallplatten betrachtete Covar Inguard die seltsamen Darstellungen, Symbole und Zeichen, die fortan seinen Rücken schmücken sollten, und er konnte keinerlei Sinn darin entdecken. Aber das hatte nichts zu sagen.
Von nun an war er der Auserwählte, und ein Auserwählter mußte auf diese Weise gezeichnet sein. So verlangte es das Gesetz des Stammes.
Covar Inguard hatte seit seiner frühesten Kindheit gelernt, daß er die Gesetze des Stammes respektieren mußte. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, sie insgeheim in diesem einen Punkt für nicht besonders sinnvoll zu halten.
Immerhin hatte die Sache auch eine gute Seite.
Der Stamm der Erdenkinder feierte ein rauschendes Fest, auf dem Covars Rücken gebührend bewundert wurde, und danach stellte man ihm Artima vor.
Covar Inguard war entzückt.
Artima war - zumindest in Covars Augen - das hübscheste Mädchen, das je auf Bugaklis gelebt hatte. Sie hatte so pechschwarze Augen, daß man selbst bei hellem Sonnenlicht kaum erkennen konnte, wo die Pupille aufhörte und die Iris begann. Sie hatte eine dunklere Haut als die meisten anderen Bergmenschen - einen leichten, bräunlichen Schimmer, der ihr einen exotischen Reiz verlieh -, und ihr fast weißes Haar zeigte einen sonderbaren, goldenen Reflex, wenn sie sich im Tanz drehte und wiegte. Und auch sonst war an Artima alles so, wie Covar Inguard es sich nicht besser wünschen konnte.
An diesem Abend war Covar gewiß der glücklichste unter allen jungen Männern vom Stamm der Erdenkinder, und er wurde noch um vieles glücklicher, als Artima ihm deutlich zu verstehen gab, daß sie ihn mochte. Als das Fest vom fröhlichen ins feuchte Stadium überwechselte, die Alten sich ums Feuer scharten, die Jäger ihre wildesten Geschichten hervorkramten und besorgte Mütter ihre Kinder in die Häuser jagten, nutzten Covar und Artima - wie andere junge Paare auch - die Gelegenheit, um sich unauffällig zurückzuziehen und im Schutz der Dunkelheit... nun ja, über ihre Zukunft zu plaudern.
Es war ein sehr glücklicher Umstand, daß sie so gut zueinander paßten und sich liebten, denn wäre das nicht der Fall gewesen, so hätte ihnen aller Protest nichts genützt - man hätte sie trotzdem zu einem Paar gemacht. Covars Vorgänger war ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin das führen konnte: Als Tania noch jung und hübsch gewesen war, hatte sie ihrem Gemahl einen ganzen Wald von Hörnern aufgesetzt, und jetzt, da sie eine alte Vettel war, machte sie ihm das Leben auf andere Weise zur Hölle.
Covar und Artima waren sich darüber einig, daß es bei ihnen anders zugehen sollte. Sie waren ein perfektes Liebespaar, und Nathan sah es mit großer Freude.
Es war eine alte Tradition, daß die Trauung des Auserwählten zu erfolgen hatte, sobald er die Menetekel trug, und so dauerte es nur einen Tag, bis Covar und Artima vor Nathan standen und die Zeremonie über sich ergehen ließen. Der ganze Stamm hatte sich versammelt, und selbst von den entferntesten Weiden waren die Hirten gekommen, um dem großen Ereignis beizuwohnen. Man konnte allerdings nicht ausschließen, daß diese Hirten auf das anschließende Festmahl und den in flüssiger Form zu verabreichenden Nachtisch spekulierten. Jedenfalls hatten sie ihre Tiere in der Obhut schmollender Hütejungen gelassen, und Covar und Artima, die sich in diesem Augenblick ohnehin für den Mittelpunkt der Welt hielten, bildeten sich nur allzu gerne ein, daß die Hirten dies getan hatten, um dem jungen Paar Glück zu wünschen.
Es war ein malerisches Bild, denn die Hirten wie auch die Dorfbewohner hatten sich zur Feier des Tages nach besten Kräften herausgeputzt. Die Frauen aus
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