1403 - Die fliegenden Menschen
Sicherheit entdeckt. Und das wollte er nicht. Noch nicht.
Die Fremden rüsteten zum Aufbruch, und der Giftsammler schlief noch immer.
Die Fremden waren bessere Kletterer, als Covar Inguard gedacht hätte. Sie kamen recht schnell voran, und besonders der Pelzige hatte mit seiner seltsamen Fortbewegungsweise offenbar nicht die geringsten Schwierigkeiten, selbst die schwersten Passagen im Handumdrehen zu meistern.
Covar Inguard ließ den dreien einen gehörigen Vorsprung, ehe er sich ebenfalls auf den Weg machte. Er hatte Glück: Dichte Nebelschwaden waren herangezogen, und in ihrem Schutz konnte er den Gleiter benutzen. Das ersparte ihm eine lange Kletterei, und als die drei Fremden aus dem Nebel herauskamen, hockte Covar bereits wieder in einem sicheren Versteck, ein gutes Stück über ihnen, so daß er sie für eine Weile ohne jede Mühe im Auge behalten konnte. Das Teilstück des Steilhangs, auf dem sie sich jetzt befanden, bot keine besonderen Gefahren. Natürlich konnten sie abstürzen, aber wenn das geschah, dann konnte auch Covar ihnen nicht helfen. Im übrigen konnten die Fremden sich jedoch ausreichend auf die Kletterei konzentrieren, denn gefährliche Tiere waren nicht in Sicht.
Es würde mindestens zwei Stunden dauern, bis sie den breiten Sims erreichten, auf dem die Stachelbüsche standen. Wo es Stachelbüsche gab, da trieben sich stets auch ein paar Langechsen herum, und die waren um diese Jahreszeit sehr ungnädig aufgelegt. Covar nahm an, daß er gezwungen sein würde, wegen dieser Echsen das Versteckspiel aufzugeben, aber das hatte noch Zeit.
Geschmeidig rollte er sich zwischen zwei Felsen zusammen. Er hatte schon als Kind gelernt, immer dann zu schlafen, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bot.
Er würde aufwachen, bevor die Fremden in die Reichweite der Langechsen gerieten. 2. „Du bist auserwählt", sagte sie zu ihm. „Du wirst die Menetekel tragen. So ist es dir bestimmt."
Covar Inguard nahm es zur Kenntnis und schwieg. Niemand erwartete einen Kommentar von ihm. Es war eine große Ehre, auserwählt zu sein. Nach Covars Meinung zu diesem Thema wurde nicht gefragt. .Nathan und zwei alte Frauen gaben Covar Inguard einen großen Becher, dessen Inhalt einen seltsamen, stechenden Geruch verbreitete. Covar schreckte vor diesem Gesöff instinktiv zurück, aber eine der alten Frauen bog ihm den Kopf zurück, und die andere schüttelte ihm das Zeug in die Kehle, so daß er schlucken mußte, ob es ihm paßte oder nicht.
Das Getränk brannte Covar die Zunge aus dem Hals und verwandelte seine Speiseröhre in einen glühenden Strang, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was das Zeug in seinem Magen anrichtete.
Er fühlte sich, als hätte man ihn gezwungen, glühende Kohlen zu schlucken. Seine Augen tränten, und als er sprechen wollte, brachte er nur ein unverständliches Krächzen zustande.
Die alten Frauen kümmerten sich nicht darum, sondern zwangen ihn, eine weitere Portion von diesem Teufelszeug zu schlucken.
Danach war dieser Teil der Prozedur offenbar beendet, denn man ließ ihn los.
Covar war in diesem Augenblick schon nicht mehr ganz zurechnungsfähig, und die Sache mit der großen Ehre, auserwählt zu sein, erschien ihm in einem sehr unfreundlichen Licht. Er hatte nur einen Wunsch: Nathans Haus so schnell wie möglich zu verlassen.
Aber als er sich aufrichten wollte, drehte sich die ganze Welt um ihn, und es war unter diesen Umständen sehr schwierig, die Tür anzuvisieren. Er krachte mit dem Kopf gegen die Wand und ging zu Boden.
Danach sah und hörte er für einige Zeit nichts mehr.
Während er seinen Rausch ausschlief; träumte er, er sei in die Gewalt einer Mördermajestät geraten, die gerade ein ganzes Nest voller Jungtiere zu versorgen hatte. Die Mördermajestät machte kurzen Prozeß mit Covar Inguard, stieß ihn ins Nest, hielt ihn mit einer Kralle nieder und überließ den Jungen den Rest der Arbeit.
Covar hätte viel lieber der Majestät selbst als Appetitshappen gedient, denn das wäre wenigstens schnell gegangen. Die Jungen dagegen machten sich begeistert ans Werk. Mit ihren kleinen Schnäbeln ritzten sie seinen Rücken auf und zogen ihm die Haut in Streifen vom Körper.
Covar Inguard schrie. Und irgendwann, als die Wirkung des Getränks nachließ und er halb und halb zu Bewußtsein kam, stellte er fest, daß nicht alles ein Traum gewesen war. Es gab zwar keine kleinen Mördermajestäten um ihn herum, aber die Haut schien man ihm trotzdem abzuziehen. „Nur ruhig!"
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