1438 - Kinder der Retorte
wußte Pheldor, was für eine Gen-Insertion anzuwenden war, welche Genfaktoren zu implantieren waren, um besonders resistente Invitros zu erschaffen. Und wenn ein Typus gebraucht wurde, der auf Radioaktivität in besonderer Weise reagieren sollte, dann hatte er das richtige Genmaterial parat und kannte die richtigen Methoden, um daraus die geforderte Mutantenart zu machen.
Schon in dieser frühen Schöpfungsphase trat sein Genie zutage.
Dabei ignorierte er nicht selten die von ihm selbst erstellten Klonlisten mit den feststehenden Lebensformeln und ging neue Wege. Ein Invitro mit besonders widerstandsfähigem Metabolismus, dem starke Gravitation und hohe UV-Werte nichts anhaben konnten, der auch 14 Norm tage ohne einen Schluck Wasser auskommen konnte, mußte auf ganz eigene und andere Weise geklont werden als ein Klon mit denselben Eigenschaften, der nur geringer Schwerkraft ausgesetzt war.
Natürlich hätte Pheldor sein Genie nie so entfalten können, wenn ihm nicht das High-Tech-Gerät von Aralon zur Verfügung gestanden hätte. Ohne die entsprechende Ausrüstung konnte auch ein Meister des Klonens keine Wunder wirken.
Ein Schöpfer neuen Lebens brauchte natürlich großen Spielraum, um seine eigenen unkonventionellen Wege gehen zu können. Doch auch diesbezüglich genoß Pheldor eine Sonderstellung. Denn trotz aller Sicherheitsvorschriften und strengen Richtlinien, die das System den Gentechnikern von Aralon auferlegte, genoß Pheldor großzügig bemessene Freiheiten. Er brauchte sich für sein Tun und Lassen nicht zu rechtfertigen... solange er gute Ergebnisse erzielte und sich nicht irgendwelcher Umtriebe schuldig machte.
Bis jetzt war er noch in keiner Weise negativ aufgefallen.
Doch auf einmal, wenige Wochen vor seinem 199. Geburtstag, braute sich über seinem Haupt einiges zusammen, das dazu angetan war, ihm große Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Zuerst war da die Sache mit den Euhja-Amphibien, die die Warnsirenen von Aralon aufheulen ließ und Pheldor zuerst eine Vorladung zu Ar- vnemon, dem Chef der Klon-Zentrale, einbrachte und danach eine Passage ins System von Euthets Stern bescherte.
Den Anpfiff Arnemons, seines obersten Vorgesetzten, der selbst ein von ihm geklönter Invitro war, ließ Pheldor in der Gewißheit der eigenen Unersetzbarkeit noch gelassen über sich ergehen. Doch der Flug in einem Raumschiff über viele Lichtjahre verursachte ihm geradezu Leibschmerzen und für die ihn behandelnden Medo-Roboter unerklärliche Fieberanfälle.
Dabei war die Erklärung ganz einfach: Pheldor hatte erbärmliche Angst vor dem Flug durch das Weltall; allein die Vorstellung, in einer kleinen, zerbrechlichen Kugel fast schutzlos dem Nichts ausgesetzt zu sein, ließ ihn schon vorab tausend Tode sterben.
Es war auch nicht fair, einem von klein auf die Schrecken des Weltalls in den schlimmsten Farben auszumalen und von ihm dann zu verlangen, sich auf einen Flug durch diese Hölle zu begeben.
Es war nicht sein erster Raumflug, das nicht, ein Dutzend solcher Martyrien hatte er bereits hinter sich, aber bei dem vorangegangenen Expertenflug ins Kreit-System hatte er gehofft, daß er wenigstens sein letzter sein möge.
Doch wie die Dinge lagen, hatte er keine andere Wahl, als zumindest noch einmal so einen Horrortrip mitzumachen. Denn es gab erstens über diese Strecke von mehr als 42.000 Lichtjahren keine Transmitterverbindung. Zweitens genügte es nicht, ein paar kranke Euhja-Amphibios zur Untersuchung nach Aralon zu bringen, weil allem Anschein nach die Ursache für das Versagen beim Mutterklon lag, der die Euhjas wie am Fließband produzierte und das geschädigte Erbgut auf sie übertrug.
Und diese so empfindliche, tonnenschwere Gebärmaschine war für einen Transport nicht nur ungeeignet, sondern würde ihn vermutlich auch nicht überleben. Zumindest war dies die Begründung dafür, daß man Pheldor auf diese mörderische Reise schickte.
Wenn die kranken Kinder also nicht zu ihrem Schöpfer kommen konnten, mußte sich ihr raumkranker Schöpfer demnach auf den ungemütlichen Gang zu ihnen machen. „Stürze dich mit Todesverachtung ins Unvermeidliche, Pheldor", ließ er sich von seinem Syntron sagen.
*
Breiten wir gnädig das Tuch des Schweigens über Pheldors Leiden bei diesem Flug aus dem Herzen des Kugelsternhaufens M13 quer durch die Milchstraßenebene zur südlichen galaktischen Hemisphäre.
Erwähnenswert ist lediglich, daß die ARASIM nahe dem Solsystem Zwischenstopp machte, um eine
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