1439 - Agenten weinen nicht
Stiftermann III konnte man überall und jederzeit aufgespürt und kontrolliert werden. Fulgen wußte, daß seine individuellen Daten von der Syntronik des Umsorgungs-Diensts längst bereitgestellt worden waren. „Umsorgungs-Dienst" nannten die Machthaber des Bedden-Systems den wahrscheinlich schlagkräftigsten und grausamsten Geheimdienst der Milchstraße. Noch vor acht Jahren hätte sich ein systemtreuer Mitläufer wie Yart Fulgen keine Gedanken darüber gemacht.
Der UD war notwendig. Er tat alles, um die Bürger des Bedden-Systems zu beschützen.
Die wahre Sachlage hatte Fulgen erst durch die aufklärenden Worte eines geheimnisvollen Fremden erkannt. Der UD war eine systemintegrierte Vernichtungsund Unterdrückungsmaschinerie größten Ausmaßes. Niemand auf Stiftermann III und den sechs anderen Planeten des Sonnensystems konnte sich seiner Bevormundung entziehen.
Die erneut aufklingende Stimme des Rotuniformierten riß Yart Fulgen aus seinen gefährlich werdenden Überlegungen.
Der auf Plophos geborene Terraner Ralt Nestur, Chef der Intern-Umsorgung im Bereich der Hauptstadt Tesscron, war der kommende Mann im Bedden-System. Wer das Hochtechnologie-Zentrum beherrschte, beherrschte auch das Sonnensystem. Man munkelte hinter vorgehaltener Hand, er sei der einzige Galaktiker, dem es jemals erlaubt worden war, den Bezirk der Cantaro zu betreten.
Fulgen sah nur noch das scharfgeschnittene Gesicht des Anrufers.
Nestur besaß den Rang eines Colonels; eine Bezeichnung, die historischen Ursprungs sein sollte. Seine Macht über Leben und Tod wurde offiziell mit dem dringenden Schützbedürfnis der Stiftermann-Bürger motiviert.
Der amtierende Abwehrchef, Nesturs Vorgesetzter, war alt und verbraucht. Man flüsterte, er würde sich demnächst biophysikalisch klonen lassen. Dadurch lief er Gefahr, zu einem Cyborg zu werden.
Wahrscheinlich würde er es nicht überleben, oder wegen eines nachfolgenden Negativ-Tests von der Syntronik ausgegliedert werden. Das aber bedeutete die Verweigerung der Daseins-Ermächtigung und den Tod.
Fulgens Überlegungen überstürzten sich.
Wieso hatte sich Nestur persönlich eingemischt? Etwa weil er Yart Fulgen gut kannte? Wieso war er überhaupt von dem Vorfall unterrichtet worden? Die Sache war viel zu geringfügig, um einen Mann von der Bedeutung Nesturs damit zu behelligen.
Wollte er das Gettokind, wie er Fulgen gönnerhaftspöttisch titulierte, vor weiteren Unannehmlichkeiten behüten oder ihm noch weitere zufügen?
Takks stieß ein heiseres Winseln aus. Er fühlte die unerträglich werdende Spannung noch deutlicher als sein Beschützer.
Der Sergeant kam von Fulgens Gleiter zurück. Er hatte ihn inspiziert und erstattete erneut Bericht.
Yart begann wieder in geordneten Bahnen zu denken. Es war lebensgefährlich, sich von den primären Geschehnissen ablenken zu lassen.
Wie gut hatte er die Sabotage vorgenommen? Hielt sie eine Überprüfung durch die Spezialisten des UD stand? Es war klar, daß man die Maschinerie untersuchen würde - aber das hatte Fulgen schließlich vorher gewußt!
Eine schadhafte Hochstrombatterie war und blieb schadhaft! Daran änderte die Tatsache, daß Fulgen damit gestartet war, auch nichts. Schließlich war er in seiner Eigenschaft als Statistiker und Diplomat nicht verpflichtet, den positiven Flugbereitschaftsbericht der Zuteilungssyntronik zu überprüfen.
Fulgen versuchte, seine revoltierenden Nerven zu beruhigen. Warum wurde er von Ralt Nestur nicht direkt angesprochen? Er mußte Fulgen in der Form eines Hologramms direkt vor sich stehen sehen.
Natürlich würde er auch dessen Furcht bemerken, aber das war etwas, was Nestur schon immer geschätzt hatte. Er mochte es, wenn andere Galaktiker vor ihm bebten. „Kein Arbeitsstrom mehr?" vernahm Fulgen die vertraute Stimme. Sie klang weich und einschmeichelnd. Der Sergeant bestätigte überhastet.
Nestur nickte sinnend. Anschließend gab er seinen Entschluß bekannt. Fulgen wurde wiederum nicht direkt angesprochen. „Der Dienstgleiter wird abgeholt. Du bewachst ihn, bis mein Robotkommando eintrifft. Der Statistiker Yart Fulgen wird von einem zweiten Luftfahrzeug aufgenommen und zu seiner Wohnung im Diplomatenbezirk der Hauptstadt zurückgebracht. Er hat heute dienstfrei.
Das Monstrum Takks wird verschont," Das Fernbild verblaßte. Colonel Ralt Nestur hielt es nicht für nötig, weitere Erklärungen abzugeben.
Der Sergeant räusperte sich. Er transpirierte. Fulgen übersah seinen flehenden Blick.
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