1640 - Griff nach Arkon
allen Krankheitserregern, die sich außerhalb befanden.
Vor allen bekannten Krankheitserregern! dachte Dilja, als sie die Desinfektionsschleuse betrat.
Nach der keimtötenden Ozondusche, die nur verhindern sollte, daß der Patient zusätzlich mit Keimen belastet wurde, öffnete sich das Innenschott. Rasch ging Dilja zum Überlebenstank.
Sie schaltete ihren Helmtelekom aus und berührte mit ihrem Klarsichthelm den der Ärztin. „Was spielt sich in seinem Organismus ab?" fragte sie, nachdem Nercy ihrem Beispiel gefolgt war. „Oberflächlich betrachtet, das gleiche wie bei einem diffusem Ödem", antwortet Nercy. „Du siehst ja selbst, wie aufgedunsen er ist. Aber es handelt sich nicht um eine Ödemkrankheit von der Art eines generalisierten Hydrationszustands der interstitiellen Gewebe. Hier ist der ganze Körper betroffen.
Jede einzelne Zelle saugt sich förmlich voll Flüssigkeit. Das geht langsam, aber es läßt sich nicht aufhalten. Srim wird immer mehr aufquellen. Ich weiß mir nicht zu helfen, Dilja. Es läßt sich absehen, daß die Körperzellen in wenigen Stunden abzusterben beginnen. Dann tritt der Tod ein."
„Furchtbar", flüsterte die Oxtornerin. „Und der Erreger konnte noch nicht gefunden werden?"
Nercy schüttelte heftig den ziegenhaften Schädel mit den beiden spitzen Hörnern. „Wer weiß, ob es sich um einen Erreger handelt", meinte sie. „Vielleicht handelt es sich auch um eine allergische Reaktion auf einen unbekannten Giftstoff."
„Ich denke, Srim sprach ,von einem hochvirulenten Erreger", wandte Dilja ein. „Das sagtest du mir jedenfalls am Telekom."
„Und es stimmt", erwiderte Nercy. „Nur war sein Geist da schon so verwirrt, daß er unter Umstanden nicht mehr wußte, was er sagte. Die Hirnzellen sind ja ebenfalls betroffen."
Dilja Mowak nickte, dann sagte sie mit flacher Stimme: „Wir müssen unbedingt herausbekommen, wo Srim sich infiziert hat, Nercy. Das ist wichtig, um den Infektionsherd rechtzeitig einkreisen und isolieren zu können. Andernfalls droht womöglich ganz Arkon II Seuchengefahr."
„Dessen bin ich mir bewußt", erwiderte Nercy stockend. „Ich weiß auch schon, was du von mir verlangen wirst. Aber das kann ich nicht tun. Ein Arzt muß helfen; er darf seine Patienten keinem unnötigen Risiko aussetzen."
„Srim wird sterben", erklärte die Oxtornerin. „Vielleicht stirbt er ein paar Stunden früher, wenn du ihn durch Stimulation ins Bewußtsein zurückholst. Was macht das für einen Unterschied?"
„Einen großen!" widersprach Nercy heftig. „Er würde sich seiner aussichtslosen Lage bewußt und müßte deswegen unnötig leiden."
„Aber er könnte durch seine Aussage helfen, eine Massenausbreitung der Krankheit zu vermeiden", sagte Dilja. „Dieses Bewußtsein kann tröstlich sein, denn es gibt dem Sterbenden die Gewißheit, noch eine gute Tat vollbracht zu haben."
Du drehst und wendest alles so, wie du es gerade brauchst! haderte sie mit sich selbst. In diesen Minuten verwünschte sie ihren früheren Entschluß, Hanse-Spezialistin zu werden. „Ach, verdammt!" fuhr sie hoch. „Vergiß mein Geschwätz, Nercy! Es muß einfach sein. Das ist alles. Tun wir es nicht, ist das unterlassene Hilfeleistung an vielen Millionen Arkoniden und Besuchern auf diesem Planeten."
„Ja, schon gut", erwiderte die Cheborparnerin leise.
Sie fuhr aus ihren drei großen Nasenlöchern dicht oberhalb des Mundes je eine halbmeterlange Greifzunge aus, an deren Ende je vier zarte Greiffinger saßen.
Mit Zungen und Fingern schlängelte sie sich in genau passende Ausstülpungen ihres Schutzanzugs.
Mit diesen insgesamt zwölf Fingern wandte sie sich einer speziellen, nachträglich an den Überlebenstank angeschlossenen Schaltkonsole zu. Mit ihrer Hilfe konnte sie unter Umgehung der „toten" syntronischen Schaltungen einen Teil der in den Tank integrierten Manipulatoren bedienen.
Als erstes wurde Srim Tenneks Oberkörper aufgerichtet und vom Schleim der Bio-Emulsion befreit. Danach schickte Nercy sich an, den Patienten durch verschiedene, genau aufeinander abgestimmte Injektionen ins Bewußtsein zurückzuholen. Um seine Organe dadurch nicht stärker als unbedingt notwendig zu belasten, würde sie den Vorgang genauestens überwachen - und den Stimulationsprozeß drosseln, wenn Gefahr drohte.
Doch sie kam nicht dazu, den Prozeß einzuleiten.
Als hätte Srims Unterbewußtsein erkannt, daß er sein Wissen offenbaren mußte, um Schlimmeres zu verhüten, peitschte es die
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