0437 - Das Monster im Keller
Patrik LaGrange hatte sich ›abgenabelt‹.
Elternhaus adé. Er war mittlerweile 20 Jahre alt, hatte den Militärdienst hinter sich und war dabei, sich eine kleine Firma aufzubauen. Für andere arbeiten wollte er nicht - sein Ziel war es immer gewesen, sein eigener Chef zu werden. Und nun entwickelte die Sache sich. Charlene Riveaux half ihm dabei. Sie besaß ein wenig Geld, das sie mit in seine Firma steckte. Ihre Eltern schalten sie eine Närrin. ›Das wird eine Pleite, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat‹, warnten sie sie. Aber Charlene schlug die Warnungen in den Wind.
›Wenn es eine Pleite wird, dann wird es unsere Pleite‹, beharrte sie. Sie liebte den jungen Burschen, der mit seinen selbstentwickelten Computerprogrammen den Weltmarkt erobern wollte. Programme, die von sich aus eingeschleuste Computerviren erkennen und isolieren sollten…
Bei ›bekannten‹ Virenprogrammen funktionierte das bisher. Aber ob künftig zu entwickelnde Virenprogramme von LaGranges Software ebenfalls unschädlich gemacht werden konnten, dafür gab es keine Garantie. LaGrange war immerhin in seiner Werbung so vorsichtig, auf entsprechende Andeutungen zu verzichten. Immerhin gab es derzeit genug unbedarfte Computer-Anfänger, die ihm seine Programme abkauften.
Tagelang konnte LaGrange sich in seinem Arbeitsraum verkriechen und an neuen Programmen tüfteln. Danach war er wieder tagelang fähig, zu faulenzen und zu feiern. Es war die Art zu arbeiten, die ihm lag. Geregelte Zeiten haßte er. Er bedauerte seine Mitmenschen, die zu festgelegten Zeiten aufstehen und zur Arbeit eilen mußten, zu festgelegten Zeiten ihren Feierabend hatten und sich aufs Wochenende freuten, um dann halbe Tage im Autobahnstau zu stecken, wenn sie ihre Wochenendurlaubsziele erreichen wollten.
Patrik LaGrange kannte keine Wochenenden. An Sonn- und Feiertagen arbeitete er am liebsten still für sich allein. Dafür hatte er die Chance, seine Ausflüge auf die Wochentage zu verlegen, auf Zeiten, da er nicht nur überall freie Bahn hatte, sondern regelmäßig auch freie Hotel- und Pensionszimmer fand und die Touristenzentren nicht überlaufen waren.
Charlene hatte sich diesem Rhythmus sehr schnell angepaßt. Und nachdem sie sich daran gewöhnt hatte, beschloß sie, daß sie beide vorerst auf Kinder verzichten würden.
Patrik hatte große Augen gemacht.
›Schau mal‹, hatte Charlene gesagt. ›Wir sind beide noch jung. Wir können das verschieben. Erst einmal sollten wir genießen, was sich uns bietet. Wenn erst einmal Kinder da sind, geht das nicht mehr, dann sind wir von Zeiten abhängig. Von den Kindergärten, von den Schulen. Das will ich noch nicht.‹
Sie wollte an Patriks Lebensrhythmus teilhaben. Er gefiel ihr. Sich Verantwortung und Zwänge auferlegen, das konnte sie auch noch später, wenn sie beide zehn Jahre älter waren. Das war auch einer der Gründe, weshalb sie sich an Patrik LaGrange band - einmal abgesehen davon, daß sie ihn liebte.
Und da halfen natürlich auch die gutgemeinten Warnungen ihrer Eltern nicht, die befürchteten, sie werde Liebe, Leben und Geld an einen Hasardeur verschwenden, dem es nur darauf ankam, sich so einfach wie möglich durchs Leben zu mogeln. In ihren Augen war Patrik LaGrange ein notorischer Faulpelz, der jeder Arbeit aus dem Wege ging. Arbeit, das war etwas Produktives. Straßenbau, oder Häuser errichten, oder Schweine schlachten. Frühstücksbrötchen backen und ein Feld bestellen. Daß jemand Geld dafür bekam, ein paar Zahlen und Formeln auf Papier zu kritzeln und auf Computertasten zu hämmern, das war einfach undenkbar, das war für sie keine ehrliche Arbeit. Da hätte Patrik La-Grange in ihren Augen auch gleich Beamter werden können - die taten doch auch den lieben langen Tag nichts anderes als schlafen, Zeitung lesen und die Bürger schikanieren, von deren Steuern sie lebten.
Aber von diesen elterlichen Vorurteilen ließ Charlene sich nicht beeinflussen. Sie ging ihren Weg an Patriks Seite.
Und auch, als er ein Haus kaufte, ging sie mit.
Es war kein gewöhnliches Haus.
Es besaß ein großes Grundstück. Viel Grasfläche, die aber nicht penibel in Ordnung gehalten werden mußte, weil es ringsum in absehbarer Distanz keine Nachbarn gab, die sich daran gestört hätten. Demzufolge beschloß LaGrange, den Rasenmäher allenfalls drei- oder viermal im Jahr aus dem Schuppen zu holen. Vielleicht fand sich auch ein Student, der für ein paar Francs diese Arbeit übernahm…
Bäume und Sträucher
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