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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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eine Mahnwache vor dem Weißen Haus, und in San Antonio, Texas, wurde gestreikt. Mullock drohte daraufhin seiner Belegschaft mit Entlassung, was die Streiks beendete, und China meldete einen möglichen Fall von Vogelgrippe im Autonomen Gebiet Tibet, weshalb die ausländischen Journalisten wieder abreisen mussten.
    Zwei Wochen später sandte der Dalai Lama aus seinem Exil in Indien einen Bittbrief an den Präsidenten, was jedoch weniger öffentliches Interesse erregte als die zeitgleiche Mitteilung des Weißen Hauses, dass das inzwischen genehmigte Handelsabkommen der Mullock Oil Corporation um eine Regierungsbeteiligung erweitert worden war.
    Wieder eine Woche später kam der spektakuläre dritte Teil von Fluch der Karibik in die Kinos. Johnny Depp wurde bereits einen Tag nach der Premiere als Oscar-Preisträger gehandelt. Sein Starporträt lief im Abendprogramm; gleich nach einer Reportage über die heiligen Berge in Tibet, bei der man sich ausgiebig dem Meili (»Prinz der Schneeberge«) widmete. Disney Productions erkannte das Potenzial dieses verschneiten Sechstausenders und kündigte einen bezaubernden Märchenfilm mit neuester Animationstechnik an.
    Das war im März. Bis Mitte April waren alle Handelsverträge unter Dach und Fach, gegen Ende des Monats kehrten die letzten Kamerateams und Demonstranten nach Hause zurück. Am zwölften Mai feierte George T. Mullock Geburtstag, einen Tag später begann er mit den Reisevorbereitungen, und in der Woche darauf waren Mann und Berg dem Gedächtnis der Öffentlichkeit entglitten.
    Zweimal bereits hatten weltweite Proteste verhindert, dass der Kailash durch den albernen Wunsch eines Klettermaxen nach einem weiteren Namen auf seiner Liste
    »bezwungener« Berge entweiht wurde. ( 1985 Reinhold Messner, 2001 Jesús Martinez Novaz ) Nun aber schien das Schicksal des Kailash besiegelt.
    Scheiß drauf!, dachte George T. Mullock. Es ist doch nur ein Berg.
    Er blinzelte nervös, als der Wagen an den Mönchen vorbei fuhr. Hu Zhang machte keine Anstalten, wenigstens ein Mindestmaß an Abstand zu halten, die Männer wiederum wichen keinen Millimeter zurück. Wind blähte ihre Gewänder auf; sie streiften die Beifahrertür und brachten Mullock dazu, vor Anspannung die Fäuste zu ballen. Verdammt, was sollte das? Der Kailash war nur ein Berg! Und Mullock wollte ihn nur besteigen, nicht exportieren!
    Was ihn am meisten aufregte, war die Untätigkeit der Mönche. Hätten sie mit den Fäusten ans Wagenblech gehämmert oder Hassparolen heraus geschrien, wäre Mullock ausgestiegen und hätte ihnen gezeigt, wie man in Texas für Ordnung sorgt. Bei Gott, das hätte er getan! Aber sie standen nur da – mager, frierend, stumm. Mit dunklen Augen, in denen nichts anderes zu finden war als Freundlichkeit und Trauer.
    »Widerlich!«, knurrte Mullock. Sein Begleiter lachte.
    »Es sind Buddhisten, Mistel Mullock. Lückständige Leute, die unsele segensleiche Fühlung noch zu schätzen lelnen müssen. Abel seien Sie unbesolgt: diese Männel leisten niemals Widelstand, deshalb…« Zhang riss das Lenkrad herum. Es war ein Reflex, keine Rücksichtnahme, und der Funktionär erging sich in chinesischen Flüchen, während er den schlingernden Geländewagen abfing und mit Macht aufs Gaspedal trat.
    Mullock hatte aufgeschrien, ohne es zu merken. Nun stieß er sich vom Armaturenbrett ab und sank in die Polster zurück, erschrocken und verstört. Der Mann mit dem Tuch war unvermittelt vorgesprungen. Er hatte seine Arme ausgebreitet, sodass die Schrift auf dem Stoff lesbar wurde.
    Mullock drehte sich nach ihm um, davon hielt ihn auch ein Zuruf seines Fahrers nicht ab. Durch die Seitenscheibe war der Mann noch einen Moment zu sehen, ehe das mitgeführte Gepäck und die nachfolgenden Autos ihn verdeckten. Ihn und seine Botschaft. Sie war auf Englisch geschrieben und so eindeutig, wie sie nur sein konnte:
    »Leave or die!« – Kehr um oder stirb!
    ***
    Mai 2522
    Ein halbes Jahrtausend war vergangen, seit die dunkle Zukunft der Erde begann. Flora, Fauna, homo sapiens… alle waren durch den Aufschlag des Daa'murenwandlers, den man in Unkenntnis seiner wahren Natur den Kometen
    »Christopher-Floyd« nannte, an den Rand der Ausrottung geschleudert worden – an einem einzigen Tag, innerhalb weniger Stunden.
    Viele Lebensformen hatten einen Neuanfang in der zerstörten Welt nicht geschafft. Von denen, die durchkamen, wurden etliche durch das grausame Experimentierspiel der Außerirdischen entstellt. Was auf der

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