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Erfindergeist

Erfindergeist

Titel: Erfindergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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1. Abschied von einem lieben Freund
    Es hätte so ein schöner Tag werden können.
    Kaum zu glauben, es war erst kurz vor 9 Uhr morgens und ich hatte schon fast die komplette Tageszeitung gelesen. Mit mehreren Kissen hatte ich meinen Körper an diversen Stellen gepolstert, um halb sitzend, halb liegend und ohne gefühllose Arme oder steife Gelenke das Großformat der Zeitung bändigen zu können. Regelmäßig fragte ich mich bei solchen Gelegenheiten, warum es nach wie vor so wenige Zeitungen im kleineren, wesentlich benutzerfreundlicheren Tabloid-Format gab.
    Doch heute belasteten mich solche Alltagsproblemchen nicht wirklich. Stefanie war mit unseren beiden Kindern für eine Woche probeweise zu mir gezogen. Seit fast zwei Jahren lebten die drei von mir getrennt, aber jetzt wollten wir gemeinsam einen neuen Versuch starten.
    Es waren Herbstferien und ich hatte Urlaub. Die ersten Tage verliefen zu unserer Zufriedenheit. Es gelang mir sogar, mit meinen Kindern Melanie und Paul einen Blitzbesuch beim Imbiss Caravella einzulegen, um so das Pommes- und Mayodefizit der beiden auszugleichen. Natürlich ohne Stefanies Wissen. Selbstverständlich bemerkte sie es trotzdem. Mir hätte vielleicht Pauls rot und weiß verschmierter Pulli auffallen sollen. Zur Strafe mussten die beiden heute Morgen nach einem ausgiebigen und zweifelsohne gesunden Frühstück mit ihrer Mutter einkaufen gehen. Ich hatte mich mit der Begründung, zwischenzeitlich die Küche aufräumen zu wollen, erfolgreich davor gedrückt. Bisher hatte ich meinen guten Vorsatz jedoch noch nicht in die Tat umgesetzt. Wann hatte ich denn schon mal die Gelegenheit, morgens in Ruhe die Zeitung zu lesen?
    Leider war es mit der Ruhe nicht weit her. Seit gestern wurde auf unserem Nachbargrundstück, direkt in Verlängerung der Terrasse, eine Baugrube ausgehoben. Das ständig aufheulende und wieder abklingende Baggergeräusch konnte mich heute nicht wirklich auf die Palme bringen. Der Grund dafür lag schwarz-weiß auf dem Wohnzimmertisch. Er war quadratisch, hatte etwa zehn Zentimeter Kantenlänge und nannte sich Ultraschallbild: Stefanie war schwanger. Ihre Übernachtung bei mir, als meine Schwiegermutter kürzlich spontan die Kinder mit zu sich nach Frankfurt genommen hatte, zeigte Nachwirkungen. Und diese wurden immer größer. Ich war zurzeit der glücklichste Mensch der Welt. Stefanie empfand ähnlich. Wenn alles klappte, wollte sie mit den Kindern bis Weihnachten wieder fest bei mir einziehen.
    Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Gedanken. Nach dem dritten Läuten hatte ich mich aus meinem gepolsterten Lager befreit und ein Großteil der Kissen und mehrere einzelne Zeitungsseiten zerstreuten sich völlig ungleichmäßig auf dem Boden.
    »Palzki.«
    »Be… Becker hier, Dietmar Becker. Ta… tag Herr Palzki«, stotterte der mir wohlbekannte Archäologiestudent.
    »Becker? Na, das ist eine Überraschung. Ich habe ja schon seit Tagen nichts mehr von Ihnen gehört. Wie gehts Ihnen denn? Was macht die Schreiberei?«
    »Äh, Herr Palzki, können wir später darüber sprechen?«
    »Ja, ist schon gut. Was haben Sie denn auf dem Herzen?«
    »Auf dem Herzen? Äh, wie meinen Sie das? Ach so, ich verstehe.« Becker schien hochgradig nervös zu sein. In solchen Situationen ging in seinem Kopf immer alles drunter und drüber.
    »Jetzt mal ganz langsam, Herr Becker. Was kann ich für Sie tun?«
    »Herr Palzki, haben Ihre Kollegen Sie schon angerufen?«
    »Meine Kollegen? Warum denn? Ich habe Urlaub. Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Brauchen Sie Hilfe? Wo stecken Sie überhaupt?«
    Wieder fing Becker an zu stottern. »Ja, al… alles in Ord… Ordnung. Kö… Können Sie schnell vorbeikommen? Ich bin hier im Kestenbergerweg.«
    »Im Kestenbergerweg? Was machen Sie dort? Geht es Ihnen wirklich gut?«
    »Ja, natürlich. Ich stehe vor dem Haus von Jacques Bosco. Ich dachte, ich rufe Sie gleich an, er war doch Ihr Freund.«
    »Natürlich ist Jacques mein Freund, das wissen Sie. Aber was heißt ›war‹?« Mein Brustkorb spannte sich, als handele es sich bei meinen Rippen um Expander, die von einem Hochleistungssportler auseinandergezogen wurden. Tausende von wirren Dinge schossen mir durch den Kopf und Becker antwortete nicht.
    »Sind Sie noch dran? Um Himmels willen, was ist los?«
    Becker schien sich etwas gefangen zu haben. »Herr Palzki, es tut mir so leid. Ich wollte Jacques gerade besuchen, doch ich kam zu spät. Er ist tot.«
    Verkrampft umklammerte ich den Hörer,

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