1657 - Der weibliche Golem
freien Lauf gelassen. Jetzt fing er an nachzudenken, das erkannte Harry an seinem Blick, in dem auch das Lauern nicht zu übersehen war.
»Wer das versucht, den töte ich!«
»Dann würde ich auf deiner Liste an erster Stelle stehen!«
Pavel öffnete weit den Mund. »Ja, das stimmt! Du stehst ganz oben auf meiner Liste. Solltest du deine Meinung nicht ändern, werde ich dich töten. Danach zerschmettere ich deinen Schädel, denn du sollst nicht die Gnade erfahren, wieder zurückzukehren. Das hast du nicht verdient. Aber du weißt jetzt Bescheid.«
»Genau.«
»Und wie hast du dich entschieden?«
Harry Stahl trat zuerst einen Schritt zurück. Dann zog er seine Waffe. »Reicht das?«
Pavel schaute auf die Pistole. Dann drehte er den Kopf und sah sein Kunstwerk an, wobei er sich auf die Augen konzentrierte. Innerhalb des Bartgestrüpps verzogen sich seine Lippen. Er sah aus, als hätte er eine Botschaft empfangen, denn zum Abschluss nickte er sogar.
»Was ist mit dir?«
Pavel senkte den Kopf. Im ersten Moment sah er aus, als wäre für ihn eine Welt zusammengebrochen. Aber das täuschte, und er schaffte es tatsächlich, Harry hereinzulegen.
Aus dem Stand warf er sich vor. Er brüllte, und es interessierte ihn nicht, ob dabei eine Waffe auf ihn gerichtet war.
Harry Stahl wurde von dem Angriff überrascht. Zudem hatte er seinen Zeigefinger noch nicht am Drücker gehabt. So wurde der Bildhauer von keiner Kugel getroffen. Dafür taumelte Harry rückwärts und fiel nach kaum drei Schritten auf den Rücken. Er hörte den Schrei des Mannes in seinen Ohren widerhallen. Pavel lag auf ihm, und Harry, der sich zum Glück den Kopf nicht zu hart gestoßen hatte, sah das Gesicht des Bildhauers dicht über sich. Es hatte sich in eine mordlüsterne Fratze verwandelt und aus dem Mund tropfte Speichel, der in Harrys Gesicht klatschte. Das war nicht das Schlimmste, das steckte er weg. Viel schlimmer waren die Hände, die schon dicht über seinem Hals schwebten und nicht mehr aufgehalten werden konnten.
Wie stählerne Krallen umklammerten sie seine Kehle und drückten gnadenlos zu…
***
Bill erreichte endlich den Mittelpunkt des Ortes.
Auf der rechten Seite lag das Hotel. Es war von außen erleuchtet. Es hatte sich nichts verändert. Aus den Fenstern des zur Straße hin liegenden Restaurants fiel Licht und gab der Umgebung einen fast, romantischen Anstrich.
Das alles kümmerte Bill Conolly nicht. Noch vor der kleinen Auffahrt hielt er an und stieg aus. Er lief die wenigen Schritte über eine freie Fläche und stürmte durch den Eingang in die Halle. Dort stoppte er hastig, atmete erst mal durch, schaute sich um und erreichte wenig später die Rezeption. Ein junger Mann hatte Dienst. Freundlich blickte er den Reporter an.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
Bill sagte seinen Namen und erkundigte sich, ob Sheila das Hotel verlassen hatte. Er gab zudem eine kurze Beschreibung seiner Frau.
»Nein, diese Dame habe ich in der letzten Stunde nicht gesehen. Sie hat unser Haus nicht verlassen.« Er drehte sich um, weil er einen Blick auf die Schlüsselwand werfen wollte. »Das Fach ist auch leer und ich…«
»Danke.« Bill war schon unterwegs. Er stürmte die Treppe zur ersten Etage hoch und hatte kurze Zeit später das Zimmer erreicht, das allerdings leer war. Trotzdem rief er: »Sheila?«
Bill erhielt keine Antwort. Das Blut stieg ihm in den Köpf. Sheila war nicht da! Sie hatte ihren Schlüssel mitgenommen. Hielt sie sich im Restaurant auf? Er wollte schon wieder hinunterlaufen, als sein Blick auf die Balkontür fiel. Einer Eingebung folgend ging er hin und zog sie auf.
Kalte Luft umwehte ihn. Auch hier wurde er enttäuscht, denn der Balkon war leer. Er ging vor bis zum Geländer, stützte sich dort ab und warf einen Blick in die Tiefe. Er sah den Lichtschein, der von der Rückseite des Hauses bis zur freien Schneefläche reichte. Sogar Spuren waren dort zu sehen, aber das war nicht mehr wichtig. Aus der Tiefe erreichten ihn Geräusche. Es war ein Keuchen und Ächzen. Auch der Klang einer Stimme war zu hören, und die gehörte einer Frau. Sheila!
Es war kein normaler Ruf gewesen. Sie hatte auch nicht normal gesprochen. Man konnte es als einen Laut bezeichnen, der sich erstickt angehört hatte. Sheila war in Gefahr!
Für Bill gab es jetzt zwei Möglichkeiten. Er konnte nach unten laufen und den Hintereingang suchen. Es war auch möglich, von der ersten Etage her nach unten zu springen und auf dem Schnee zu landen, der hier
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