1756 - Das Grauen hieß Elvira
Freundin Rita war aus ihren Erinnerungen verschwunden, jetzt gab es nur noch eine Person.
Das war sie selbst. Und als sie so weit gedacht hatte, konnte sie das harte Lachen nicht mehr unterdrücken...
***
Etwa eine Viertelstunde später hockte sie in ihrer Wohnung. Oder in ihrem Zimmer. Eine Bude, nicht mehr. Da war man im Knast fast besser aufgehoben.
Sie hatte sich an den Tisch gesetzt und starrte ins Leere. Ihr Blick war leer. Das störte sie nicht, denn sie war dabei, über etwas nachzudenken, das mit Engeln zu tun hatte.
Wie war das noch gewesen?
Hatte ihre Freundin Rita nicht von irgendwelchen Engeln gesprochen, als sie sich auf den Weg gemacht hatten, um andere Menschen zu beschenken? Da waren sie Engel gewesen, aber es war auch von bestimmten Engeln gesprochen worden.
Von Höllenengeln!
Und das war jetzt Elviras Thema. Engel, die böse und grausam waren. Die auch töteten und daran ihren Spaß hatten. Die der Hölle gehorchten oder dem Teufel.
Da kam so einiges zusammen, und sie fragte sich, ob sie zu einem solchen Engel geworden war.
Das war durchaus möglich. Doch wie passte das zusammen? Auf der einen Seite ein Mensch, auf der anderen ein Engel. Passte das zusammen?
Elvira Little überlegte. Sie dachte an nichts anderes mehr. Dabei versuchte sie, eine Lösung zu finden, mit der sie sich anfreunden und abfinden konnte.
Etwas breitete ihr schon Probleme. Es war die Art, wie sie zu einem Engel geworden war. Sie war nicht gestorben, sie hatte normal gelebt, aber es war trotzdem etwas passiert. Sie hatte die Schatten gesehen, die auf sie zugehuscht waren. Schatten, die eine unterschiedliche Form hatten. Große und kleine. Schmale oder lange. Sie alle kamen zusammen und hatten diesen seltsamen Pulk gebildet, über den man lachen konnte oder nicht.
Besser nicht. Und doch lachte Elvira. Es war ein besonderes Lachen, schon ein Gelächter, und es klang böse. Das Lachen eines Engels, der sich entschlossen hatte, einen anderen Weg zu gehen, einen eigenen. Der sich nichts mehr vorschreiben lassen und den anderen zeigen wollte, wo der Hammer hing.
Elvira erhob sich. Es war eine schnelle Bewegung gewesen. Sie allein zeigte schon, was in ihr steckte. Sie fühlte sich beschwingt und von einer bisher nicht gekannten Kraft durchdrungen.
Es war so plötzlich über sie gekommen. Damit hatte sie im Leben nicht gerechnet. Auf einmal hatte es sie dann erwischt. Dieser neue Strom an Kraft hatte alles andere ausgeschaltet.
Ein Strom an Kraft?
Elvira dachte darüber nach und fragte sich, ob es nicht mehr war als nur das. Da hatte sich auch in ihrem Innern etwas verändert. Sie hatte ja gesehen, dass etwas in sie eingedrungen war. Diese Schatten, die sich nur schwer beschreiben ließen, die einfach nur da waren und sie übernommen hatten.
Dass Rita Cromwell nicht mehr lebte, das störte sie nicht weiter. Sie hatte jetzt andere Sorgen, aber sie dachte daran, dass Rita etwas Wichtiges über Engel gesagt hatte.
Sie hatten sich als Engel gefühlt. Sogar als Weihnachtsengel. Und ein Weihnachtsengel würde sie bleiben, das nahm sie sich vor. Aber ein besonderer, der loszog, um den Menschen etwas Außergewöhnliches zu bringen – den Tod!
Als sie daran dachte, legte sie den Kopf zurück und fing an zu lachen. Sie musste es einfach tun. Es war für sie so etwas wie eine Befreiung.
Weg mit den alten Kleidern. Jetzt wurden neue übergestreift.
Und sie würde ihre Zeichen setzen, das stand fest. Sie würde als Höllenengel am Fest der Liebe erscheinen und den Menschen zeigen, was wirklich abging.
Ja, das war super, das war...
Sie dachte den Gedanken nicht zu Ende, denn es hatte bei ihr einen Cut gegeben. Nicht nur im Gehirn, im gesamten Körper, und sie fühlte sich plötzlich anders.
Ihr Gesicht fing an zu glühen. Sie fühlte sich unsicher, und als sie neben sich schaute, da sah sie die schwarzen Schatten über den Boden huschen.
Keiner glich dem anderen. Sie waren schnell. Sie huschten umher, ohne dass ein Laut zu hören war. An den Wänden glitten sie entlang, und sie nahmen sogar die Decke ein, aber sie kehrten nicht wieder in den Körper der Frau zurück.
Elvira stand am Tisch. Sie begriff nichts mehr. Auf ihrem Gesicht lag eine Schweißschicht, und sie fragte sich jetzt, ob sie Angst haben musste oder nicht.
Es war nichts mehr klar. Und es blieb auch so. Mit diesem Gedanken belastet, ließ sich Elvira Little wieder auf ihren Stuhl sinken und vergrub ihr Gesicht in den Handflächen.
Sie dachte an den
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