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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Maiglöckchen fallen, die sie von der Nachbarin mitgebracht hatte.
    »Jette! Franz! Was macht ihr denn hier?«, rief sie entgeistert. Die siebzehnjährige Nichte und ihr kleiner Bruder sollten jetzt eigentlich hundert Kilometer von hier entfernt in Weißenfels sein, in ihrem Zuhause.
    Und wie die beiden aussahen – völlig erschöpft und abgemagert! Henriette wirkte geradezu verzweifelt, der zehnjährige Franz, den sie fest an der Hand hielt, schien vor Müdigkeit fast umzufallen. Jettes Gesicht war staubbedeckt, ihr braunes Haar lugte statt unter einem Hut mit hübscher Schleife zerzaust unter einem Wollschal hervor, ihr blauer Mantel war verschmutzt. Wie überhaupt die Kleidung der Geschwister den Eindruck erweckte, als hätten die beiden seit Tagen unter freiem Himmel kampiert.
    »Seid ihr etwa den ganzen Weg von Weißenfels hierhergelaufen?«, begriff Johanna fassungslos. »Allein durch Kriegsgebiet? Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?!«
    Henriette schob ihren Bruder durch den schmalen Türspalt ins Haus, sah ängstlich nach links und rechts und flüsterte dann: »Es ist etwas Schreckliches geschehen, Tante.«
    Sie atmete tief durch und sagte noch leiser: »Ich glaube, ich habe jemanden getötet. Einen französischen Soldaten.«
    »Kind! Sag doch nicht so etwas!«, hauchte Johanna entsetzt und schlug die Hände vor den Mund.
    »Vielleicht war es auch ein Italiener oder Wallone, ich weiß es nicht … Ich hab kein Wort verstanden, als er auf mich einschrie«, wehklagte Jette, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Die kamen aus aller Herren Länder, die in Weißenfels einfielen.«
    Hastig zog Johanna Gerlach die vollkommen aufgelöste Nichte ins Haus und schaute ebenfalls rasch noch einmal prüfend nach links und rechts.
    Auch wenn die Stadt seit kurzem von Russen und Preußen besetzt war und nicht mehr von den Franzosen, so konnte doch überall die Geheime Polizei lauschen. Mit zittrigen Händen klaubte die Hausherrin die Maiglöckchen vom Treppenabsatz und schloss die Tür hinter sich.
    In der Diele rief sie nach der Köchin – so dringend, dass Lisbeth Tröger gleich mit ihrem schweren, watschelnden Gang angelaufen kam, Mehlspuren auf der Schürze und Teigreste an den Händen.
    »Nehmen Sie den Franz mit in die Küche und geben Sie ihm etwas zu essen!«, wies Johanna die Köchin an. »Er soll sich waschen und dann erst einmal schlafen. Und schauen Sie, dass sich auch für Fräulein Henriette auf die Schnelle etwas Heißes findet. Oder wenigstens ein paar Butterbrote.«
    Die resolute Lisbeth war nicht weniger bestürzt über das verwahrloste Aussehen der Besucher als Johanna. Mütterlich legte sie ihren Arm um die Schulter des Jungen und brummte ihm beruhigend zu: »Wir werden schon etwas für den jungen Herrn finden.«
    Trotz aller Müdigkeit huschte ein Lächeln über Franz’ staubverschmiertes Gesicht. Wenn sie hier zu Besuch gewesen waren, hatte Lisbeth ihn und seine Schwester immer vom Kuchenteig naschen lassen oder sie mit anderen Leckereien verwöhnt.
    Doch bevor die Köchin den Jungen in die Küche schob, drehte sie sich noch einmal um.
    »Darf ich das Fräulein etwas fragen?«, brachte sie ungewohnt verzagt heraus.
    Johanna erriet sofort, was nun kommen würde, und sah Lisbeth voller Mitleid an.
    »Es heißt, dass Leipzig wegen der Seuchengefahr seine Lazarette nach Weißenfels verlegt hat und nun dort die Verwundeten gepflegt werden, die aus Russland zurückgekommen sind«, begann Lisbeth, die Augen flehend auf Jette gerichtet. »Haben Sie vielleicht einen meiner Söhne gesehen, Fräulein? Der Fritz, der Paul, der Claus und der Wilhelm … Die kennen Sie doch von früher. Sie sind alle bei der Reitenden Artillerie, Batterie Hiller …«
    Henriette schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Es waren überhaupt keine Sachsen unter denen, die kamen.«
    Niedergeschlagen schlurfte die Köchin hinaus.
     
    Johanna führte ihre Nichte in den Salon, auch wenn sie normalerweise niemanden in so staubigen und abgerissenen Sachen auf den guten Möbeln sitzen lassen würde. Sie drückte sie auf das Chaiselongue und gab ihr eine Schale mit Gebäck, eine wahre Kostbarkeit in diesen Zeiten. Doch bevor sie sich selbst hinsetzte, lief sie noch einmal zur Tür und rief dem neuen Dienstmädchen zu: »Nelli, hol den Meister aus dem Kontor, rasch! Sag, es ist ein Notfall.«
    Dann schloss sie sorgfältig die Tür, ließ sich neben Henriette sinken, die – nur auf der Sofakante sitzend – ausgehungert

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