1819 - Eine Ladung Vivoc
kegelförmigen Gebilde in ihren Greifklauen erinnerten Atlan an die Aufsätze altmodischer Gießkannen, wie es sie auf fast allen von Humanoiden bewohnten Planeten der Galaxis zu irgendeinem Zeitpunkt mal gegeben hatte. Eine unmittelbare Auswirkung der molekularen Veränderung ließ sich nicht feststellen.
Der Arkonide rannte weiter und bemühte sich, keine allzu deutlichen Spuren auf dem Boden zu hinterlassen. Er verließ das Grundstück durch das offene Gartentor und überquerte eine betonierte Straße. Die gleichmäßige Staubschicht zeigte an, daß hier seit Wochen keine Fahrzeuge mehr entlanggekommen waren.
In den feinen Ritzen am Straßenrand hatten sich erste Samen festgesetzt und bildeten einen grünen Saum. Ein paar Wochen noch, und hier wuchsen die ersten Gräser und Büsche und trieben ihre Wurzeln unter den Beton, um ihn zu sprengen und beständig zu zersetzen.
Atlan stockte mitten im Schritt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinter dem halbhohen Wurzelwerk einer exotischen Mangrovenart begann eine andere Welt. Die Blockhütten lagen in einem einzigen See aus grünem Schlick. An manchen Stellen trocknete der Brei bereits ab, an anderen wellte er sich im leichten Wind, der zwischen den Hütten entlangstrich. Die Behausungen in diesem See wirkten merkwürdig fremd, gerade so, als gehörten sie nicht hierher, sondern auf einen fremden Planeten.
Sieh genau hin! Es ist keine optische Täuschung.
Die Blockhütten besaßen keine Konturen. Die einzelnen Bohlen und Bretter ließen sich nicht mehr voneinander unterscheiden. Schattierungen fehlten. Alles war gleichmäßig hell und von ockergelber Farbe.
„Die Bestrahlung! Sie verändern die Stadt. Wozu?"
Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Halt nach weiteren Indizien Ausschau!
Die zehn Minuten waren fast um. Atlan lief die Straße entlang und bog hinter der nächsten Häuserreihe ab. Der Container tauchte vor ihm auf, und sein SERUN führte den Arkoniden mit untrüglicher Sicherheit exakt zu der Stelle, an der Tolot auf ihn wartete. Wieder verschmolzen die beiden Deflektorfelder miteinander.
„Du hast es also auch entdeckt", empfing der Haluter hin. „Die Zeit ist nah. Die Eloundar kommen und bringen Vivoc. Die Invasoren werden nicht nur die Stadt verändern, sondern auch die Kolonisten."
„In wenigen Stunden wird Swamp-City keine Ähnlichkeit mehr mit der Stadt haben, die wir von früher kennen", stimmte Atlan zu. „Am besten ist, wir trennen uns und dringen so schnell wie möglich zum Zentrum vor. Wir treffen uns in vier Stunden auf der Rückseite des Gebäudes, in dem du dich bereits schon einmal aufgehalten hast."
„Gut, mein Freund. Wenn du nicht kommst, weiß ich, daß sie dich gefangengenommen haben. Dann holt Icho Tolot dich heraus."
Der Arkonide grinste.
„Im umgekehrten Fall wird es genauso sein. Bis bald!"
„Viel Glück, Freund!"
Tolot löste sich aus dem gemeinsamen Feld und rannte davon. Der Boden dröhnte, und die riesigen Fußstapfen zeichneten sich auf dem pflanzenüberwucherten Untergrund ab. Nach einer halben Minute begannen sie zu verblassen. Die Natur Lafayettes stellte den ursprünglichen Zustand wieder her.
Auch Atlan brach auf. Eine zweite Gruppe Gazkar mit ihren Bestrahlungsinstrumenten näherte sich.
Die Anwesenheit eines Unsichtbaren nahmen sie nicht wahr. Nach Tolots Erfahrungen verließen Gazkar und Neezer sich in erster Linie auf ihre optischen Sinne. Und die konnte man mit einem handlichen galaktischen Deflektor leicht täuschen.
*
Die molekularen Veränderungen erstreckten sich lediglich auf die Randsiedlungen, wie Atlan mit Erleichterung feststellte. Das Zentrum der Stadt war nicht davon betroffen. Hier wucherte die Natur ungehindert in die Höhe und die Breite.
Die Gazkar störten sich nicht daran. Wenn die Duftbahnen es ihnen vorgaben, trampelten sie über das Grünzeug oder machten einen Bogen darum herum.
Versprich dir nicht zuviel von diesem Vorstoß, warnte der Extrasinn. Der Haluter und du, ihr steht auf verlorenere Posten. Gegen Tausende Gazkar und Angehörige der anderen Völker richtet ihr nichts aus.
Atlan wußte das, aber dennoch stimmte er seinem Logiksektor nicht vorbehaltlos zu.
Wir müssen herausfinden, was geschieht, und gleichzeitig die Kolonisten vor einem ungewissen Schicksal bewahren, gab er die Gedankenantwort.
Narr! Warum hast du dann nicht eine Robotflotte herbeizitiert, als du deine Begleiter mit dein Transmitter zurück in die RICO schicktest?
Altan
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