1822 - Die neue Haut
bedeuten hatte. Er setzte sich mit David Golgar in Verbindung, aber der Siganese meldete sich nicht über Sprechfunk.
Er antwortete mittels verschlüsselter Funksignale. Diese besagten: „Kann nicht frei sprechen. Bin an Bord von Theas Shift."
„Hat dir Assiter diesen Auftrag gegeben?" fragte Atlan auf dieselbe Weise.
„Das braucht man mir nicht zu befehlen. Ich weiß selbst, was zu tun ist", kam die Antwort.
„David, du mußt den Shift auf der Stelle verlassen. Du mußt abspringen, bevor er das Ziel erreicht. Das ist ein Befehl."
„Tut mir leid, ich kann nichts verstehen. Aber ich kann Thea nicht im Stich lassen. Ende der Durchsage."
Atlan wußte, daß es keinen Sinn hatte, den Siganesen mit weiteren Rückzugsbefehlen zu bombardieren.
Er würde sie sowieso nicht befolgen. Atlan konnte nur hoffen, daß David Golgar nicht entdeckt wurde.
*
Dorothea Ringent landete den Shift zwanzig Meter vom Haus entfernt, innerhalb des Energiezaunes. Sie verließ das Cockpit, und die Außenkameras zeigten, wie sie mit unnatürlich gestrafften Schultern zum Haus ging und durch den Eingang verschwand. Sie erwartete irgendeine Entscheidung, und das bereitete ihr offensichtlich Unbehagen.
Für einen Moment zeigte die Cockpitkamera David Golgar in Großaufnahme. Er trug einen Kampfanzug, dessen Systeme noch desaktiviert waren. Er grinste breit in die Kamera und zeigte die Faust mit nach oben gestrecktem Daumen.
„Dieser Teufelskerl!" meldete sich Armin Assiter zufrieden. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich über seine Eigenmächtigkeit bin, Atlan."
„Wenn er Mist baut, zerquetsche ich ihn zwischen den Fingern", sagte Atlan ohne Groll.
Eigentlich war auch er ganz froh, daß der Siganese als Blinder Passagier auf dem Shift mitgeflogen war und sie über ihn eine Verbindung zu Kummerog bekommen würden.
Durch Fernsteuerung wurden die Außenmikrophone des Shifts auf das Haus gerichtet und auf eine Weise verstärkt, daß alle Geräusche, die innerhalb der Räume verursacht wurden, deutlich zu hören sein müßten. Aber das funktionierte nicht. Statt verständlicher Laute war nur ein auf- und abschwellendes Surren zu hören.
„Dieser Mistkerl von Kummerog hat einen Störsender installiert", sagte der Mann an den ferngesteuerten Richtmikrophonen. „Ich kann die Störgeräusche nicht herausfiltern."
Kurz darauf verstummten die Störgeräusche jedoch; statt dessen waren laut und deutlich Stimmen zu hören. Nur wenige Minuten später entstand über der Steueranlage ein scharfes, gut ausgeleuchtetes dreidimensionales Bild von Rudy Ringents Wohnzimmer.
„Wie ist das möglich?" fragte irgend jemand.
„David Golgar macht’s möglich", kam die Antwort vom zuständigen Techniker. „Er hat einfach die Überwachungseinrichtung der Videowand aktiviert. Jetzt sind wir live mitten im Geschehen."
Im Trivid lief gerade ein Bericht über die Vorgänge im Tucani-Sektor, wohin sich das Gros der Igelschiffe nach ihrer ersten Offensive zurückgezogen hatte. Der Sprecher gab an, daß sich ihre Zahl inzwischen auf insgesamt 140.000 erhöht hatte und daß dauernd weitere Flotten eintrafen. Es kamen zwar in der Mehrzahl Igelschiffe, aber der Anteil Ellipsoide der Eloundar wurde immer größer.
Bedachte man deren Fassungsvermögen, dann ging die Zahl jener Vivoc genannten Larven, die sie transportierten, bereits in die Milliarden.
Direkt vor dem Gerät lümmelte Kummerog auf einem Sofa. Er sog schlürfend an einer Plastiktüte und kümmerte sich nicht darum, daß ihm der Brei des Nahrungskonzentrats aus den Mundwinkeln lief und ihn besudelte.
Kummerog bot einen seltsamen Anblick. Sein gesamter Körper war in eine halbtransparente, blasige, gallertartige Masse gehüllt. An manchen Stellen hing sie ihm lose vom Körper. Seine weißen Augen waren direkt in die Kamera gerichtet.
Kummerog bietet denselben Anblick wie in der letzten Phase auf Mimas, bevor er mit Bruno Drenderbaum verschwand, erinnerte Atlans Extrasinn. Damals wurde das mit denn Regenerationsprozeß seiner Hand in Zusammenhang gebracht. Aber diesmal muß es sich um eine andere Art von Regenerationsphase handeln.
Atlan ließ die Lautstärke höherregeln, so daß man die Stimmen aus dem Flur besser verstehen konnte.
„Wo ist Rudy, Bruno?" hörte man Dorothea Ringent fragen.
„Ich habe ihn mit dem Hypnoschuler stillgestellt", antwortete Bruno Drenderbaum. „Er beginnt, zu viele Fragen zu stellen. Das ist nur lästig. Aber es geht ihm gut, Thea."
„Warum
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