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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dreimal von euch gewiesen“, sagte er, indem er auf jedes Wort einen schweren Nachdruck legte wie einer, der das Treffen mit Kanonenschüssen einleitet, um den Hauptvorstoß dann später folgen zu lassen. „Ich frage euch, warum?“
    Eigentlich war er gar keiner Antwort wert; da man aber wohltut, wenn man mit solchen Leuten so deutlich wie möglich ist, so zog ich es vor, ihn nicht warten zu lassen, und erwiderte also:
    „Glaubst du denn wirklich, eine Antwort zu erhalten?“
    „Natürlich!“
    „Du bist nicht imstande, sie dir selbst zu geben?“
    „Nein.“
    „Mit diesem Wort gestehst du ein, daß du an Einsicht ein kleines Kind, an Unverstand und Unwissenheit aber ein Riese bist!“
    „Beleidige mich nicht! Ich bin gewöhnt, daß man sich nur der größten Höflichkeit gegen mich befleißigt!“
    „Bist aber doch selbst ein Ausbund der Unhöflichkeit! Wir sind berechtigt, wenigstens, hörst du, ich sage wenigstens, dieselbe Achtung und Ehrerbietung zu verlangen, welche du, vielleicht mit weniger Recht, für dich in Anspruch nimmst!“
    „Ihr – – –?!“ dehnte er so hochmütig, daß ich ihm am allerliebsten gleich eine Ohrfeige gegeben hätte. „Doch ja, ihr wißt nicht, wer ich bin! So hört es denn, und beugt dann in Demut eure Häupter! Mein Ahne ist Qatadah; ich bin ein Nachkomme des berühmten Mohammed Abu Numehji, der hellsten Leuchte unter allen Großscherifen der heiligen Stadt Mekka. Wenn wir, seine Abkömmlinge, sterben, werden unsere Leichen in einem hochfeierlichen Umgang siebenmal um die Kaaba getragen. Welcher andere Mensch auf Allahs weiter Welt kann sich einer solchen Auszeichnung rühmen!“
    „Bist du schon gestorben?“
    „Nein“, antwortete er verwundert.
    „Also auch noch nicht um die Kaaba getragen worden?“
    „Nein.“
    „So warte mit der dir sehr anzuempfehlenden Geduld, bis das geschehen ist; dann sind wir vielleicht bereit, deiner Leiche mit Achtung zu gedenken.“
    „Mensch, wage nicht – – –! Doch, du kennst ja auch meinen Namen nicht; ich will also meinen Zorn bemeistern. Es ist auch gar nicht nötig, diesen Namen mit dem verstopften Eingang deines Ohres zu belästigen; es genügt vielmehr vollständig, dir zu sagen, daß man mich El Ghani (Der Reiche) nennt und daß ich der Liebling 'Aun er Rafiqs, des jetzigen Großscherifs von Mekka, bin. Nun weißt du, wie du dich gegen mich und uns alle zu verhalten hast!“
    Anspruchsvoller und eingebildeter zu sein als dieser Mann war gar nicht möglich! Um zu erfahren, wer der Tote war, hielt ich mich noch zurück und fragte:
    „Auch gegen die andern? Wer sind sie?“
    „Der eine ist Ben Abadilah, mein Sohn; die übrigen drei sind Männer aus der heiligen Stadt, wo ihre Namen zu den angesehensten gerechnet werden.“
    „Und der Verstorbene?“
    „Der war ein Lieblingskind Allahs und des Propheten. Er wurde El Münedschi (Der Wahrsager) genannt, woraus du die unvergleichliche Höhe seiner Vorzüge erkennen kannst. Seiner Seele war die Gabe verliehen, den Körper zu verlassen und nach entfernten Orten und in entfernte, längst verschwundene und auch zukünftige Zeiten zu gehen, um zu sehen und zu hören, was kein anderer Sterblicher erfährt. War sie dann in den Körper zurückgekehrt, so konnte El Münedschi alle Geheimnisse dieser Zeiten und Orte mitteilen. Er sprach mit den Dschin und Mlajiki (Geistern und Engeln) wie mit seinesgleichen und hatte darum Macht über den Willen und die Taten aller, mit denen er verkehrte. Nun ist er hingegangen in den Himmel Allahs, zu denen, mit denen er schon während seines irdischen Lebens verkehrte. Ich war sein bester Freund. Er wohnte in meinem Hause, wo ich ihm eine Freistatt gab, weil er blind geworden war. Ich übe die Barmherzigkeit, welche Allah seinen Bevorzugten geboten hat, und er vergilt sie wieder. Nun weißt du, wer wir alle sind, und wirst mich und meinen Sohn um Verzeihung bitten!“
    „Um Verzeihung bitten? Wenn du glaubst, daß –“
    Ich konnte nicht weitersprechen, denn Halef drückte mir die Hand auf den Mund und sagte nicht, sondern rief:
    „Schweig, Sihdi, ich bitte dich, schweig! Ich koche nämlich so, wie vorhin der Kaffee gekocht hat, und wenn du mir nicht erlaubst, an deiner Stelle zu sprechen, so zerplatzt der Kessel augenblicklich! Darf ich? Ja?“
    „Gut, ja! Zerplatzen lassen darf ich dich doch nicht!“
    „Ich danke dir, Effendi, ich danke dir! Durch diese deine Erlaubnis errettest du mich vielleicht vom Tode, denn in dem jetzigen

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