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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurückwich. In dieser, für uns köstlich anzusehenden Weise folgte er ihm Schritt um Schritt, oder vielmehr Fußtritt um Fußtritt, indem er, immer die Peitsche schwingend, fortfuhr:
    „Und da sitzt der erleuchtete und in aller Welt hochberühmte Hadschi Akil Schatir el Megarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim Maschhur el Azami Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram!“
    Man sieht, daß er meinen neuen Namen sehr gut auswendiggelernt hatte. Jedes Glied desselben ergab einen Tritt auf die Zehen El Ghanis, welcher, weil diese Schritte zu schnell aufeinanderfolgten, sich ihnen nicht entziehen konnte und, an seinem Platze angekommen, ganz erschöpft dort niedersank, ohne während des ganzen Leidensweges Gelegenheit gefunden zu haben, auch nur ein Wort hervorzubringen.
    „So, da sitzest du nun in deiner ganzen, unbegreiflichen Herrlichkeit!“ meinte Halef jetzt im Tone der Befriedigung. „Wenn dir der Hochmut wieder in den Füßen juckt, so brauchst du es mir bloß zu sagen; ich trete ihn dir gern aus allen Zehen!“
    Er kehrte zurück und setzte sich wieder neben mich nieder.
    „Sihdi“, fragte er leise, „habe ich das gut gemacht oder nicht?“
    „Ich bin mit dir zufrieden“, antwortete ich.
    „Und du, Hanneh?“
    Sie, die an seiner anderen Seite saß, erwiderte:
    „Mein Halef ist gleich tapfer in Worten wie in Taten; ihm kann nicht einmal der Liebling des Großscherifs widerstehen!“
    „Nein, der am allerwenigsten! Und du“, wendete er sich an seinen Sohn, der seinen Platz neben der Mutter hatte, „folge für dein ganzes Leben dem Beispiele deines Vaters, der keine Beleidigung seiner Ehre duldet, sondern der vielmehr selbst Mohammed, dem Propheten aller Moslemin, auf sämtliche Zehen treten würde, wenn diesem der Gedanke beikommen sollte, dem obersten Scheik der Haddedihn die schuldige Achtung zu verweigern.“
    Das energische und für uns andere so still belustigende Verhalten des Hadschi hatte die Mekkaner so eingeschüchtert, daß sie, wenigstens für jetzt, nicht laut miteinander zu sprechen wagten. Sie saßen oder lagen still beisammen, und wenn einer etwas sagte, so geschah es so leise, daß wir es nicht hören konnten.
    Das Viertel des Mondes war aufgegangen und übergoß die beiden Gruppen, die kleinere der Mekkaner und die größere der Haddedihn, mit genugsam Licht, um uns alles, was die ersteren taten, deutlich sehen zu lassen. Die verhüllte, nach Mekka gerichtete Leiche machte einen ganz eigenen Eindruck auf uns, wenigstens auf mich. Seit wann war der blinde Münedschi schon tot? Wir wußten es nicht. In der Wüste pflegt man, wie in mohammedanischen Ländern überhaupt, Verstorbene sehr schnell zu begraben. Wir mußten darauf verzichten, etwas darüber zu erfahren, denn nach dem Vorgefallenen konnte es uns nicht einfallen, ferner ein Wort mit diesen Leuten zu sprechen. Ebenso würden, so glaubten wir, sie sich vollständig schweigend gegen uns verhalten. Darum waren wir nicht wenig erstaunt, als nach einiger Zeit El Ghani aufstand, bis zur Hälfte zu uns herüberkam und mir die Worte zuwarf:
    „Dein Name ist Hadschi Akil Schatir, wie ich gehört habe. Darf ich mit dir sprechen?“
    „Ja“, antwortete ich, verwundert darüber, daß der Anfang meines Namens trotz der Fußtritte in seinem Gedächtnisse sitzengeblieben war.
    Da fiel, ohne das weitere erst abzuwarten, Halef ein:
    „Aber befleißige dich ja der Ausdrücke ganz ergebenster Hochachtung, denn dieser Effendi stammt aus dem Wadi Draha im fernen Maghreb und ist der größte und berühmteste Gelehrte des Morgen-, des Mittag- und des Abendlandes!“
    „Ich möchte gern wissen, ob ihr uns richtig gesagt habt, wer und was ihr seid.“
    „Wir haben die Wahrheit gesprochen“, antwortete ich.
    „Darf ich prüfen, ob du wirklich ein so großer Gelehrter bist, Effendi?“
    „Ich habe nichts dagegen, obgleich du jedenfalls nicht der Mann bist, der es sonst unternehmen dürfte, mich zu prüfen.“
    „Was haben wir vorhin gebetet?“
    „Einen Teil der Burda.“
    „Von wem ist dieses Gedicht?“
    „Von El Buschiri.“
    „Sage mir seinen vollständigen Namen!“
    „Scharaf ed Din Abu Abdallah Muhammad Ben Said Ben Hammad Ben Muchsin Ben Abdallah Ben Schamhagh Ben Hilal Aschamhagi. Das ist der Name, den du wahrscheinlich selbst nicht auswendig gewußt hast.“
    „Ich wußte ihn, denn jeder Gelehrte kennt ihn genau; darum weiß ich jetzt, daß du wirklich ein Gelehrter bist. Aber wie beweisest du mir, daß diese

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