1922 - Die Solmothen
trat einen Schritt zurück. doch im Ernstfall wäre es schon zu spät gewesen.
Wütend auf sich selbst, schüttelte er den Kopf. Schon als er die Instruktion zum Öffnen des Schotts gegeben hatte, war ihm klargeworden, daß er Mist gebaut hatte Zum Gluck hat der Syntron meinen Befehl ignoriert, dachte er. Und korrigierte sich sofort: Das hat nichts mit Glück zu tun.
Marga hat mich bei der Stationssyntronik noch nicht als weisungsberechtigt einstufen lassen.
Er schaute schuldbewußt zu der wissenschaftlichen Chefin von Neptun Vier hinüber. „Natürlich", sagte er. „Du hast recht. Aber man kann sich kaum vorstellen, daß ausgerechnet hier, in einer solchen Umgebung ..."
Er suchte nach den richtigen Worten, fand sie nicht und verstummte. Hilflos schaute er durch die Panoramawand neben dem Schott auf den Ozean von Zyan hinaus. So weit das Auge reichte. dehnte sich blaues Wasser in mannigfaltigen Schattierungen aus. An einigen Stellen wurde es in sanften Abstufungen immer heller; dort hoben sich die weitläufigen Korallenbänke, in denen in Tiefen bis zu zweihundert Metern die Solmothen lebten, bis dicht unter die Oberfläche. Am fernen Horizont wiederum stellte es sich als eintöniges und schier unendliches Dunkelblau dar, das mit dem deutlich helleren Himmel zu einem diffusen Mischton verschmolz.
Perk weilte zwar erst seit knapp einem Standard tag auf Zyan, doch in diesen zwanzig Stunden waren ihm zwei Dinge bewußt geworden. Zum einen hatte er noch nie so viele unterschiedliche Blautöne gesehen, die sich trotzdem zu einer umfassenden Einheit zusammenfügten. Und zum anderen hatte noch nie irgendeine Umwelt in ihm ein solch tiefgreifendes Gefühl von Harmonie und Frieden erzeugt, wie er es hier empfand.
Wobei er allerdings noch nicht besonders viele Welten außerhalb des Solsystems gesehen hatte. Genaugenommen erst eine. Marga Rejka lächelte schwach. „Schon gut", erwiderte sie. „Ich weiß, was du sagen willst. Mir ist es nicht anders ergangen. Als ich auf Zyan eintraf, brauchte auch ich eine Weile, bis mir bewußt wurde, daß der Schein trügt und der Planet für ungeschützte Menschen tödlich ist. Man weiß es zwar. kann es aber nicht verinnerlichen. Dazu wirkt die Umgebung zu paradiesisch."
Perk musterte die sportliche, siebenundvierzigjährige Meeresbiologin. Sie trug ihr blondes Haar kurz geschnitten, eine sehr praktische Frisur für jemanden, der auf einer Schwimmenden Stadt mit beengten Räumlichkeiten lebte. Makeup sah er keins; ihre feingeschnittenen, symmetrischen Gesichtszüge wirkten Jedoch auch ohne künstliche Betonungen sehr ansprechend.
Sie bemerkte seinen Blick und zuckte mit den Achseln. „Zumindest auf mich", fügte sie hinzu. „Es soll auch Menschen geben, die ein schier endloser Ozean schlicht und einfach in den Wahnsinn treibt."
Perk glaubte, in Marga Rejkas Worten einen gewissen schwärmerischen Unterton zu hören. Seine neue Vorgesetzte - oder besser gesagt Ausbilderin -schien die ideale Frau an diesem Ort zu sein, das hatte er schon bei der Begrüßung mitbekommen. Sie sah ihre Tätigkeit auf Zyan nicht als bloßen Beruf an, sondern als Berufung.
Im nächsten Augenblick klang ihre Stimme wieder völlig sachlich. „Aber die radioaktive Strahlung ist nun mal planetenweit vorhanden und so stark, daß sie für Menschen kurzfristig schädlich und schließlich sogar tödlich ist. Oberste Regel: im Freien nie ohne Schutzanzug!" Sie deutete auf ein Fach, das in der Wand gegenüber dem Schott eingelassen war. „Du mußt wohl oder übel einen anlegen, bevor wir die Station verlassen, auch wenn ich dir jetzt nur die Oberfläche der Schwimmenden Stadt zeigen will."
„Alles klar. Verzeih! Es wird nicht wieder vorkommen." Perk Zaidan öffnete den Schrank, der mehrere Taucheranzüge enthielt, die ihm klobig und unhandlich vorkamen.
Doch er wußte aufgrund der Unterlagen, die er während des Flugs auf der ULENBURG von Eaudewuer nach Zyan studiert hatte, daß sie Tauchgänge bis in praktisch unbegrenzte Tiefen ermöglichten.
Diese Dossiers hatten auch die Information enthalten, daß die Gewässer des Planeten in für Menschen schädlichem Maß radioaktiv strahlten, seinen Bewohnern, den Solmothen, die Radioaktivität allerdings nichts ausmachte, sondern anscheinend ihrer Intelligenzwerdung sogar förderlich gewesen war. Die genauen Hintergründe waren noch nicht erforscht.
Nun kam es darauf an, das angelesene Wissen so schnell wie möglich umzusetzen Perk konnte seinen Fehler nicht
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