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1922 - Die Solmothen

Titel: 1922 - Die Solmothen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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streckte Soidofa den Kopf aus einem Nebenraum herein. Sein Mund mit dem kräftigen Gebiß war unsauber, wie Battanboo auf den ersten Blick feststellte, was sehr ungewöhnlich für seinen sonst auf fast übermäßige Reinlichkeit bedachten Vater war. Kleine Kalksteinbrocken klebten an der Lippe und sogar an der Nase, die bei männlichen Solmothen im übrigen viel kleiner war als bei den weiblichen.
    „Vater", sagte Battanboo, „du wirst nicht glauben, was mir heute widerfahren ist. Ich muß unbedingt etwas mit euch besprechen."
    „Ja", sagte Soidofa ernst. „Ja, wir müssen etwas Wichtiges besprechen."
     
    *
     
    Soidofa führte ihn in den Nebenraum, aus dem er gekommen war. Sofort erkannte Battanboo, wieso der Mund seines Vaters beschmutzt war. Der ältere Solmothe hatte damit begonnen, mit seinem starken Gebiß einen weiteren Raum auszuhöhlen, um ihre Wohnung zu vergrößern.
    Tänzelnd deutete Battanboo seine Überraschung an. „Du willst einen neuen Raum schaffen?" sagte er. „Hast du schon mit Leposaa gesprochen?"
    Leposaa war ihr direkter Nachbar. ein Solmothe in Battanboos Alter. Falls Soidofa ihren Revierbereich ausbauen wollte, mußte er sich zuvor mit ihm absprechen und klären, ob der andere nicht ähnliche Pläne hatte - damit sie sich nicht ins Gehege kamen.
    Sein Vater drehte sich zu ihm um und sah ihn nur an. Vorwurfsvoll. Tadelnd und enttäuscht zugleich. Soidofa mußte gar nichts sagen, Battanboo wußte sofort, was sein Vater mit diesem Blick ausdrücken wollte. Er glaubte, wieder ein kleiner Junge zu sein und die Stimme des ehrfurchtgebietenden, viel größeren Erwachsenen zu hören, der Soidofa damals für ihn gewesen war.
    „Die Rechte des einen enden dort. wo die des anderen anfangen. Rechte sind stets mit Pflichten verbunden. Das ist einer der wichtigsten Grundsätze, du die harmonische Koexistenz unserer Gemeinschaft ermöglichen."
    Natürlich hat Soidofa mit Leposaa gesprochen und sich sein Einverständnis geholt, dachte Battanboo. Wie hatte er nur daran zweifeln können?
    Was war los mit ihm?
    Wieso beschäftigte er sich heute zum zweitenmal mit einer Frage. die im Grunde gar nicht von Bedeutung war und ihn nur von den wichtigen Belangen ablenkte?
    Die eigentliche Frage lautete nicht, ob Soidofa und Arusa sich bezüglich der Erweiterung des Wohnraums mit den Nachbarn abgesprochen hatten, sondern, warum sie ein zusätzliches Zimmer anlegen wollten.
    Und die Antwort darauf wurde Battanboo klar, als er die wahre Natur der Frage erkannte.
    Solmothen gingen dauerhafte Zweierbeziehungen ein. Im Lauf ihres Lebens. das immerhin bis zu dreihundert Planetenumläufe währen konnte, brachten sie nur selten mehr als drei Kinder zu Welt und immer nur eins auf einmal. Zwillings- oder Mehrlingsgeburten kamen so gut wie nie vor. Nach der Tragzeit von vierzehn Monaten behüteten die Mütter ihre Kinder noch zwei Jahre in ihren Bauchtaschen, und erst mit weit über zwanzig Jahren galten Solmothen als erwachsen. Doch auch ausgewachsene Artgenossen blieben oft noch viele Jahre im Familienverbund - manchmal, bis neuer Nachwuchs eintraf. Die unmittelbare Fürsorge der Eltern für ihre Kinder endete zumeist erst dann. wenn der Nachwuchs selbst eine Partnerschaft einging.
    Mit seinen fast siebzig Jahren lebte Battanboo noch immer bei seinen Eltern. Alle anderen Artgenossen - zumindest die, die er kannte - hatten in diesem Alter bereits Familien gegründet. Er war ihr zweites Kind; seine ältere Schwester war schon längst eine Partnerschaft eingegangen und Mutter geworden. Arusa und Soidofa hatten sich bislang mit seinem Zögern abgefunden und schienen zufrieden mit der Ordnung der Dinge zu sein. Doch das hatte sich nun geändert.
    Aus dem Augenwinkel nahm Battanboo wahr, daß seine Mutter sich ihnen zögernd näherte.
    „Wir möchten dich nicht vertreiben", sagte Soidofa. „Wir respektieren, daß du dich für dich hältst und noch keine Beziehung eingegangen bist. Doch Arusa spürt allmählich das Wirken der Zeit, des grausamen, unbarmherzigen Feindes. Ihre biologische Uhr läuft langsam, aber sicher ab."
    Arusa war erst knapp über einhundertfünfzig Jahre alt, stand in der Blüte ihrer Jahre.
    Doch Battanboo wußte, was sein Vater ausdrücken wollte.
    „Sie möchte noch einmal Nachwuchs bekommen", sagte er.
    Soidofa neigte das große Haupt und schwamm zu seiner Lebenspartnerin. Zärtlich rieb er seine rüsselartige Nase an ihrer viel größeren. Battanboo sah, daß beide ein wenig Sekret

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