1932 - Schiff am Abgrund
ohrenbetäubenden Dröhnen der Schiffszelle unter. Alles vibrierte und wackelte plötzlich. Die Insassen des Schiffes nahmen es wie ein Erdbeben von mittlerer Stärke wahr, das kaum merklich anwuchs und dadurch erst recht eine Gefahr darstellte.
Feierabend, dachte Fee Kellind. Das war es dann.
Gia de Moleon würde es nicht gefallen, wenn sie irgendwann erkennen maßte, daß die GOOD HOPE III nie mehr zurückkehrte.
Schlimmer aber war die Tatsache, daß Fee Kellind sich allein die Schuld an der Katastrophe gab. Und das völlig zu Recht. Hätte sie sich nicht in den Kopf gesetzt, den Rechner der Korrago-Station an Bord zu nehmen, wäre die Explosion nicht erfolgt. Diese hatte das Schiff an den Rand des Untergangs gebracht.
Worin bestand der Unterschied zwischen dem Verglühen in der Sonne Kre und dem Stranden im Hyperraum oder gar einem völlig fremden Universum? Die Kommandantin war nicht in der Lage, einen solchen festzustellen.
Erste Gegenstände fielen herunter. Bisher verriegelte Wandfächer öffneten sich wie von Geisterhand.
Dreißig Prozent! Die Anzeige für die Grigoroff-Schicht fraß sich bei diesem Wert fest und sackte nicht weiter ab.
Einer der holographischen Bildschirme zeigte ganz plötzlich unaufgefordert die Umgebung der GOOD HOPE III. Bunte Schlieren wogten auf und ab, von der für menschliche Augen geeigneten Optik nur unzureichend und vermutlich völlig realitätsfremd abgebildet. In diesen Schlieren stanzte etwas mit einem quadratischen Stempel Löcher. An diesen Stellen erfolgte jedesmal ein grelles Aufleuchten der Grigoroff-Schicht.
Dahinter wäberten und wogten farbige Monstren wie Kraken terranischer Weltmeere. Ihre unendlich langen Tentakel schnellten sich dem Schiff entgegen und versuchten, die Löcher in der porös gewordenen Schicht zu durchdringen.
Fee Kellind schloß die Augen. Die letzten Momente ihrer Existenz wollte sie nicht mit ansehen.
„Es tut mir leid", kam es ihr ungewollt über die Lippen. „Ich ..."
Tsualar Gross schrie auf, aber sie nahm es nicht bewußt wahr. Die Zurufe aus achtzehn Kehlen glitten -an ihr ab, als existierten sie nicht.
Die GOOD HOPE III und ihre Besatzung hatten den Kampf gegen das, Schicksal verloren.
Die Schiffszelle bäumte sich auf und überschlug sich. Wahrscheinlich geschah es nicht wirklich. Die Schwankungen in den Andruckabsorbern vermittelten lediglich diesen Eindruck.
Ein Schlag ging durch den Kugelraumer und ließ ihn wie eine Glocke dröhnen. Fee verlor den Kontakt zu ihrem Sessel und registrierte wie im Traum, daß sie durch die Zentrale geschleudert wurde und gegen die Wand prallte. Oder war es die Decke? Angesichts der Tatsache, daß sämtliche Prall- und Schutzfelder ausgefallen schienen, spielte das eine untergeordnete Rolle.
Fee riß die Augen auf und schaute direkt in den farbengeifernden Rachen des Universums. Eine überdimensionale Pranke griff nach ihr und versuchte, sie aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen. Instinktiv klammerte sie sich an einer Wandklappe fest und strampelte mit den Beinen.
Eine Lichtkaskade schoß auf sie zu und blendete sie. Ihre Augen sahen den Untergang nicht mehr, doch ihre Ohren nahmen das Getöse des letzten Augenblicks auf, in dem sich alles in nichts verwandelte und nichts in alles. In diesem ihrem letzten Gedanken begriff Fee Kellind mit endgültiger Gewißheit, daß die GOOD HOPE III im Hyperraum strandete und auseinanderplatzte wie eine reife Frucht.
Dann folgte die ewige Stille. Nur noch Schwerelosigkeit und wohlige Wärme umgaben sie. Die Transformation von der körperlichen in die körperlose Existenz ging schmerzfrei und zeitlos vor sich. So hatte sie sich das ideale Sterben vorgestellt.
Wenn da nicht der Totengräber gewesen wäre.
„Ich komme nicht weiter", sagte er und legte die Schaufel beiseite. Seine Stimme war eindeutig die von Tsualar Gross. „Aber wir haben es geschafft. Wir sind durch!"
*
Es war wie das Auftauchen aus einem tiefen See. Erst spürte sie die Schwerelosigkeit, dann setzte übergangslos der Andruck ein. Er preßte sie ungewohnt hart gegen den Boden. Ungläubig blinzelte Fee. Das Jenseits hatte starke Ähnlichkeit mit der Schiffszentrale.
„Jon?" krächzte sie.
Cavalieri stöhnte statt einer Antwort. An seiner Stelle vernahm sie die Stimme des Chefsyntronikers.
„Vom Regen in die Traufe, so könnte man es nennen."
Die Worte im Funkempfänger wurden nach und nach leiser. Fee öffnete endgültig die Augen. Sie stellte verwundert und
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