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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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Doron Rabinovici
     
    Andernorts
     
    Roman
     
     
    ojfn vejg stejt a bojm, stejt er ajngebojgn
    ale fegel fun dem bojm senen
sich farflojgn
    tswej kajn misrach, draj kajn
marev und der rest kajn dorem
    und der bojm gelost alejn
hefker far dem storem
    sog ich tsu majn mamen harz:
solst mir nor nit steren
    wel ich, mame, ajns und tswej,
mir a foigl wem
    ich wel sitsn ojfn bojm und
wel im farvign
    ibern winter ihm a trest mit a
schejnem nign
    Itzig
Manger, 1901 (Czernowitz, Österreich-Ungarn)
    bis 1969
(Gedera, Israel)
     
    1
     
    Sie hoben ab. Er wurde in den
Sitz gepreßt. Die Maschine stieg steil empor und zog eine Kurve. Er blickte
hinaus über den Nachbarn hinweg. In der Tiefe tauchte die Stadt auf und die
Flachdächer, kalkweiß oder pechschwarz, darauf Wassertonnen mit
Sonnenspiegeln, ein Funkeln im Gegenlicht. Das Gestrüpp aus Antennen und
Stromleitungen. Die Silhouette der Hochhäuser, die Diamantenbörse, die
griechische Synagoge in Muschelform, der Platz vor dem Rathaus, Kikar Jizchak Rabin,
die Alleen voller Bäume und Bauhaus und dann mittendrin ein Rumpf aus Altstadt
samt Minarett und Uhrturm, jener Keil aus Vergangenheit, der ins Meer ragt. Tel
Aviv und Jaffa, der Strand und danach nichts als Wasser, und das Kind, das er
gewesen war, streckte mit ihm den Hals nach dem Land, auf das damals Vater und
Mutter hinuntergezeigt hatten, als er, vier Jahre alt, zum ersten Mal
abgeflogen war von hier.
    Heimweh oder Reisefieber, was
war es, das ihn überfiel? Er war im Höhenrausch, und zwischen Mutter und Vater
sitzt der Bub, der er war, hockt in Ethan Rosen, Dozent am Wiener Institut für
Sozialforschung, und Ethanusch, Tuschtusch, Ethanni, wie ihn seine Mutter rief,
der kleine Etepetete, wie sein Vater scherzte, sieht die Pantomimen der
Stewardessen. Ein Ballett für den Ernstfall. Die kurzen Röcke, die Häubchen im
aufgesteckten Haar, ihre dunklen Strumpfhosen, und der kleine Ethanni in
Knisterhöhe der Nylonbeine starrt auf den exotischen Tempeltanz, der von der
samtenen Monotonie einer weiblichen Stimme begleitet wird. Abgehoben.
    Nichts erinnerte jetzt noch an
das Zeremoniell jener Hohepriesterinnen aus seiner Kindheit, nichts an die fein
abgestimmten Bewegungen, die aus einer fernen Welt über den Wolken kommen
mußten. Ein Kurzfilm mit Sicherheitsanweisungen, abgespielt auf
heruntergeklappten Monitoren. Aus den Düsen der Klimaanlage strömte es
trockenkalt. Er wußte, der Teint der letzten Tage, mehr lachsrot als goldbraun,
würde in Schuppen abblättern. Er würde wieder als Bläßling ankommen. Seine Augen
juckten. Die Lippen brannten. Nichts half gegen die Migräne des Soziologen Ethan
Rosen, der Schmerz nahm zu, der Schädel wurde ihm eng. Bis drei Uhr früh war er
an seiner Arbeit gesessen, hatte auf deutsch einen Aufsatz über
Transkulturalität in der hebräischen Literatur geschrieben und danach in Ivrit
einen Kommentar für eine israelische Zeitschrift, eine Polemik gegen jegliche
Legitimierung von Folter. Solche journalistischen Artikel verfaßte Rosen in
kaltem Zorn. Er sonderte diese Texte wie kleine Pakete voll Sprengstoff ab
oder wie eine Batterie von Knallfröschen. Fünfzehn Minuten für fünftausend
Zeichen. Während er die wissenschaftlichen Studien trocken anging, schäumte er
in seinen Glossen auf, pulverte dort an Emotionen hinein, was er sich als
Forscher versagte.
    Rosen war dafür bekannt,
Deutsch, Hebräisch, Englisch und Französisch geschliffen zu formulieren. Nicht
wenige waren beeindruckt, daß er Italienisch und Spanisch las und Arabisch
verstand. Manche munkelten, seine Thesen und Theorien seien in Wirklichkeit
nichts als Übersetzungen der vielen Gedanken, die er da oder dort aufschnappte.
Er betreibe Importexportgeschäfte mit akademischen Ideen. Er profitiere davon,
zwischen den Kontinenten und Kontinuitäten, zwischen den Regionen und Religionen
umherzugeistern. Aber es war kein freundliches Interesse für die Welt, das ihn
trieb. Seine Eingebungen und Ahnungen wurden von Angst gespeist. Ethans
Mißtrauen galt den Zivilisationen und Ideologien. Er schrieb an den Bruchlinien
entlang.
    Nicht zufällig war er gebeten
worden, einen Nachruf auf Dov Zedek zu verfassen. Zuerst von Katharina, der
vierzigjährigen Freundin des Alten. Seit seinem Tod entwickelte sie eine
Leidenschaft, die Ethan nie an ihr bemerkt hatte, solange Dov noch am Leben
gewesen war. Auch Fred Sammler, der Redakteur einer Wiener Zeitung, hatte ihn
in Tel Aviv angerufen. Wenn er schon nach Israel

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