Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
ist; dennoch bitte ich Sie, noch ein wenig zu warten. Mangelnde Geduld kann alles verderben.«
    Onda beobachtete gelassen, wie Ushikawa sein Feuerzeug in den Händen drehte. Schließlich hob er den Kopf. »Ich möchte Sie bitten, uns mitzuteilen, was Sie bisher herausgefunden haben, auch wenn Ihre Erkenntnisse noch bruchstückhaft sind. Wir verstehen Ihre Situation, aber wir müssen unseren Vorgesetzten wenigstens ein paar konkretere Ergebnisse liefern. Wir verlieren sonst unser Gesicht. Außerdem ist die Lage, in der Sie sich befinden, auch keineswegs erquicklich, Herr Ushikawa.«
    Diese Typen können einen ganz schön in die Enge treiben, dachte Ushikawa. Man hatte sie zu Leibwächtern des Leaders gemacht, weil sie ausgebildete Kampfsportler waren. Aber dann wurde ihr Schutzbefohlener direkt vor ihrer Nase ermordet. Oder nein, dafür, dass es ein Mord gewesen war, gab es keinen unmittelbaren Beweis. Sekteneigene Ärzte hatten die Leiche untersucht, aber keine äußeren Verletzungen feststellen können. Allerdings gab es auf dem Gelände der Vorreiter nur eine ziemlich einfach ausgestattete Krankenstation. Hinzu kam, dass sie unter Zeitdruck gestanden hatten. Eine gründlichere Autopsie durch einen Spezialisten hätte vielleicht etwas ergeben. Aber dafür war es mittlerweile zu spät. Die Vorreiter hatten den Leichnam bereits in aller Heimlichkeit in ihrem Hauptquartier entsorgt.
    Auf alle Fälle waren die beiden Leibwächter durch ihr Unvermögen, den Leader zu schützen, in eine heikle Lage geraten. Daher war es nun ihre Pflicht und Schuldigkeit, die verschwundene Frau ausfindig zu machen, und wenn sie dazu jeden Stein in ganz Japan einzeln umdrehen mussten. Aber bisher hatten sie keine konkreten Anhaltspunkte. Sie besaßen zwar die für ihre Aufgaben als Bodyguards erforderlichen Voraussetzungen, aber um eine Person aufzuspüren, die vorsätzlich ihre Spuren verwischte, fehlte ihnen das Know-how.
    »Einverstanden«, sagte Ushikawa. »Ich erzähle Ihnen, was ich bislang herausgefunden habe, aber es sind eben nur Bruchstücke, die noch kein Gesamtbild ergeben.«
    Onda kniff kurz die Augen zusammen. Dann nickte er. »Das genügt. Ein paar Dinge wissen wir auch. Vielleicht sind sie Ihnen ebenfalls bekannt, vielleicht auch nicht. Am besten, wir tauschen unsere Erkenntnisse aus.«
    Ushikawa legte das Feuerzeug beiseite und verschränkte die Hände auf dem Schreibtisch. »Also, beginnen wir von vorn: Eine junge Frau namens Aomame wurde in eine Suite im Hotel Okura bestellt. Sie sollte ein Muskelstretching bei dem Leader Ihrer Religionsgemeinschaft durchführen. An diesem Abend, es war Anfang September, ging ein heftiges Unwetter über der Innenstadt nieder. Nachdem die junge Frau den Leader etwa eine Stunde lang allein in seinem Zimmer massiert hatte, ging sie. Der Leader sei eingeschlafen, sagte die Frau und riet Ihnen, ihn etwa zwei Stunden lang nicht zu stören. Woran Sie sich auch hielten. Allerdings schlief der Leader zu diesem Zeitpunkt nicht, sondern war bereits tot. Sein Körper wies keinerlei äußere Verletzungen auf. Anscheinend war er an plötzlichem Herzversagen gestorben. Doch unmittelbar darauf verschwand die Frau. Zuvor war sie bereits aus ihrer Wohnung ausgezogen, und am folgenden Tag erhielt das Sportstudio, in dem sie gearbeitet hatte, ihr Kündigungsschreiben. Die Sache scheint bis ins Detail geplant gewesen zu sein. Ausgeschlossen, dass das nur Zufälle waren. Die Indizien lassen keinen anderen Schluss zu, als dass diese Aomame den Leader vorsätzlich umgebracht hat.«
    Onda nickte. Bis dahin hatte er nichts einzuwenden.
    »Ihre Aufgabe ist es nun, die Wahrheit herauszufinden. Und deshalb müssen Sie diese Frau unbedingt kriegen.«
    »Wenn diese Aomame ihn wirklich getötet hat, wie wir vermuten, müssen wir den Grund dafür und sämtliche Einzelheiten in Erfahrung bringen.«
    Ushikawa betrachtete seine auf dem Tisch verschränkten Finger, als handele es sich um eine erstaunliche Kuriosität. Dann sah er seinem Gegenüber ins Gesicht.
    »Aomames familiären Hintergrund haben Sie ja bereits überprüft. Die Familie gehört der Gemeinschaft der Zeugen an. Die Eltern sind noch eifrig dabei, und der vierunddreißigjährige Bruder hat sogar einen Posten in der Hauptstelle in Odawara. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau ist ebenfalls treues Mitglied der Zeugen. Aomame ist als Einzige ausgetreten. Sie ist eine ›Abtrünnige‹, wie sie es nennen. In der Folge kam es zum Bruch, und sie hat

Weitere Kostenlose Bücher