1Q84: Buch 3
verbergen können. Und dann Sie, Herr Ushikawa. Sie wissen es auch.«
»Insgesamt also dreizehn Personen.«
Onda schwieg.
Ushikawa seufzte. »Darf ich Ihnen meine ehrliche Meinung sagen?«
»Bitte.«
»Eigentlich ist es müßig, noch davon anzufangen, aber Sie hätten sofort, als sie seinen Tod entdeckt haben, die Polizei rufen und ihn offiziell bekanntgeben sollen. Einen so schwerwiegenden Vorfall kann man auf Dauer nicht geheim halten. Ein Geheimnis, das mehr als zehn Personen kennen, ist kein Geheimnis mehr. Aber jetzt können Sie nicht mehr zurück.«
Der Kahlgeschorene verzog keine Miene. »Das zu beurteilen ist nicht meine Aufgabe. Ich folge nur meinen Befehlen.«
»Und wessen Aufgabe ist es?«
Keine Antwort.
»Die eines Stellvertreters?«
Onda schwieg beharrlich weiter.
»Na gut«, sagte Ushikawa. »Jedenfalls haben Sie auf Befehl von oben die Leiche des Leaders heimlich beiseite geschafft. Solche Befehle gelten in Ihrer Organisation als absolut. Doch nach dem Gesetz haben Sie eine Straftat begangen, nämlich illegal eine Leiche beseitigt. Es ist sogar ein ziemlich schweres Vergehen. Aber das wissen Sie natürlich.«
Onda nickte.
Wieder stieß Ushikawa einen tiefen Seufzer aus. »Und für den Fall, dass die Polizei zufällig doch Wind davon bekommen sollte, halten Sie mich bitte raus. Ich habe nichts vom Tod des Leaders gewusst. Schließlich will ich keine Strafsache am Hals haben.«
»Schon gut, Herr Ushikawa, Sie wussten von nichts. Wir haben Sie lediglich als privaten Ermittler damit beauftragt, herauszufinden, wo diese Frau namens Aomame sich aufhält. Das ist nicht gegen das Gesetz.«
»Das genügt. Ich weiß von nichts«, sagte Ushikawa.
»Uns wäre es auch lieber gewesen, keinen Außenstehenden einzuweihen. Aber dadurch, dass wir Sie auf Aomame angesetzt hatten, waren Sie ja bereits in die Sache verwickelt, Herr Ushikawa. Wir brauchen Ihre Unterstützung bei der Suche nach ihr. Wir rechnen mit Ihrer Verschwiegenheit.«
»Diskretion ist die Basis meines Berufs. Da können Sie ganz unbesorgt sein. Aus meinem Mund erfährt niemand ein Sterbenswörtchen.«
»Wenn etwas nach außen dringt, und wir finden heraus, dass Sie nicht dichtgehalten haben, wird es sehr ungemütlich für Sie.«
Ushikawa senkte den Blick auf den Schreibtisch und betrachtete abermals seine kurzen, dicken Finger. Er sah aus, als sei er überrascht, dort zufällig seine Hände zu entdecken.
»Ungemütlich«, wiederholte er und blickte auf.
Onda kniff nur die Augen zusammen. »Wir müssen den Tod des Leaders unter allen Umständen geheim halten. Und dabei können wir nicht wählerisch sein, was unsere Mittel angeht.«
»Bei mir ist Ihr Geheimnis sicher. Sie können wirklich ganz beruhigt sein«, sagte Ushikawa. »Bisher ist unsere Zusammenarbeit doch immer gut verlaufen. Wie viele heikle Angelegenheiten habe ich schon diskret für Sie erledigt. Mitunter war das gar nicht so einfach. Und Sie haben mich stets großzügig entlohnt. Mein Mund ist doppelt versiegelt. Ich bin zwar nicht religiös, aber ich habe Ihrem verstorbenen Leader persönlich viel zu verdanken und werde alles tun, was in meiner Macht steht, um diese Aomame zu finden. Mich bemühen, alles über die Hintergründe dieser grauenhaften Tat in Erfahrung zu bringen. Ich werde mein Bestes geben. Haben Sie also bitte noch etwas Geduld. Sicher habe ich bald gute Nachrichten für Sie.«
Onda veränderte seine Sitzhaltung ein wenig. Wie als Reaktion darauf verlagerte auch der Pferdeschwanz ganz leicht sein Gewicht von einem Bein auf das andere.
»Ist das alles, was Sie uns momentan mitteilen können?«, fragte Onda.
Ushikawa dachte kurz nach. »Wie gesagt, Aomame hat zweimal bei der Verkehrspolizei in Shinjuku angerufen und wurde selbst mehrmals von dort zurückgerufen. Den Namen der anderen Person kenne ich noch nicht. Bestimmt ist sie bei der Polizei, und die würde ihn auf direkte Anfrage sowieso nicht preisgeben. Allerdings hatte ich damals eine Art Geistesblitz. Irgendetwas war mit der Verkehrspolizei in Shinjuku gewesen. Ich grübelte wie verrückt. Was war das nur? Irgendetwas hatte sich am Rand meines kümmerlichen Gedächtnisses festgesetzt. Es dauerte ziemlich lange, bis mir einfiel, was es war. Das Alter ist wirklich eine Plage. Das Gedächtnis lässt immer mehr nach. Früher funktionierte es wie geschmiert. Jedenfalls ist es mir dann vor ungefähr einer Woche endlich eingefallen.«
Ushikawa machte eine effektvolle Pause und lächelte
Weitere Kostenlose Bücher