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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und die ruhmbedeckten Reste betrachtete. Wahrscheinlich würde ich niemals erfahren, wer er war, woher er kam, wohin es ihn trieb, aber es unterschied sich doch immer deutlicher bei ihm der Mensch und der Gelehrte. Nicht die gewöhnliche Geringschätzung hatte Nemo und seine Gefährten bewogen, sich in der Nautilus zu verkriechen, sondern ein überirdischer Hass von monströsen Ausmaßen, so erhaben, dass keine Zeit ihn auslöschen konnte. Entlud sich dieser Hass in Racheakten?
    Als wir wieder an die Oberfläche kamen und die Luken geöffnet wurden, hörte ich einen dumpfen Knall.
    »Kapitän!?«
    Er rührte sich nicht. Ich stieg hinauf und fand Conseil mit dem Kanadier auf der Plattform.
    »Was war das für ein Ton?«
    »Ein Kanonenschuss, Monsieur«, sagte Ned Land.
    Ich entdeckte in 6 sm Entfernung ein Schiff, das offenbar mit voller Kraft auf uns zuhielt.
    »Können Sie erkennen, was für ein Schiff das ist?«
    »Der Takelage und dem Aufbau nach ein Kriegsschiff, Monsieur.«
    »Können Sie die Nationalität erkennen?«
    »Nein, es trägt keine Flagge. Aber der lange schmale Wimpel am Hauptmast verrät, dass es mit Sicherheit ein Kriegsschiff ist!«
    Nach einer Viertelstunde erkannten wir, dass es sich um einen Zweidecker handelte, bewaffnet und gepanzert. Die Segel waren eingerollt, aus zwei Schloten mittschiffs stieg Rauch. Es näherte sich rasch.
    »Wenn es nur bis auf eine Meile herankommt, stürz ich mich ins Meer und Sie werden mir folgen!«, sagte Ned Land mit zusammengepressten Zähnen.
    Ich antwortete ihm nichts, aber genau den gleichen Gedanken hatte auch ich gehabt.
    »Monsieur wird sich erinnern, dass wir nicht die schlechtesten Schwimmer sind«, sagte Conseil. »Ich werde Monsieur schon bis zu dem Schiff bugsieren, wenn Monsieur Ned Land folgen will.«
    Ich wollte gerade antworten, als am Rumpf des Kriegsschiffes eine weiße Wolke sichtbar wurde. Einige Sekunden später spritzte es am Heck der Nautilus auf. Dann hörten wir den Knall .
    »Die schießen auf uns«, flüsterte ich erschrocken.
    »Mit Verlaub, Monsieur«, sagte Conseil, »die haben den Narwal erkannt und schießen auf den Narwal.«
    »Aber die müssen doch sehen, dass sie’s mit Menschen zu tun haben!«
    »Vielleicht ebendeshalb.«
    Und dann begriff ich. Wahrscheinlich hatte man inzwischen Klarheit über den vermeintlichen Narwal – die Abraham Lincoln war ihm ja nahe genug gekommen. Wahrscheinlich wusste man, dass die Gefahr von einem unterseeischen Fahrzeug drohte und nicht von einem überirdischen Seetier. Damals gehörten wir zu den Jägern, jetzt waren auch wir die Gejagten. Die Verfolgung hatte wahrscheinlich nie aufgehört und in jener Nacht, die wir eingesperrt verbringen mussten, hatte wohl ein solcher Kampf zwischen Nemo und seinen Verfolgern stattgefunden, ein Kampf, bei dem der Kapitän den Mann verlor, den wir dann auf dem Korallenfriedhof beisetzten. Was wir in der Vergangenheit mit diesem Mann Nemo erlebten, zog an mir vorüber und ich wusste, dass wir auf jenem Schiff nur erbarmungslose Feinde antreffen konnten.
    Jetzt trafen schon häufiger Geschosse bei uns ein, manche prallten am Meeresspiegel ab und hüpften mit kleinen Sprüngen davon, alle verfehlten die Nautilus . Das Kriegsschiff war 3 sm von uns entfernt. Ich verstand nicht, warum Nemo unter Deck blieb, denn von diesen Spitzgeschossen hätte ein einziges genügt, um die Nautilus ernstlich zu beschädigen.
    »Ich hab’s!«, rief der Kanadier plötzlich und riss sich das Hemd vom Leib. »Wir müssen Signale geben. Dann werden sie merken, dass wir keine Feinde sind!«
    Er kam nicht zum Schwenken, ein furchtbarer Faustschlag streckte ihn zu Boden.
    »Elender!«, donnerte der Kapitän, der plötzlich hinter uns aufgetaucht war. »Soll ich dich an den Schiffsnabel nageln, bevor er sich in den Rumpf da drüben bohrt!?«
    Mehr noch als über diese Worte erschrak ich über sein Gesicht: Es war totenbleich, seine Augäpfel schienen winzig klein und zurückgezogen, ich hatte das Gefühl, als schlüge sein Puls nicht mehr. Aus diesem Totenantlitz kam die brüllende Stimme und verriet etwas von der Kraft, die in ihm steckte, die in seinen Armen und Händen war, die Ned Land im eisernen Griff niederhielten. »Gehen Sie runter!«, fuhr er uns an.
    In diesem Augenblick erhielt der Rumpf der Nautilus einen Streifschuss.
    »Verschwinden Sie endlich!«
    »Monsieur, wollen Sie etwa dieses Schiff angreifen?«, fragte ich.
    »Ich werde es in den Grund bohren, Monsieur!«
    »Das

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