2006 - Cugarittmos Gesichter
Kartanin entsprangen ehrlichen Gefühlen. Es sah fast so aus, als wolle er ihr damit Trost spenden. Es lag eine unerklärliche Schwermut in seiner Haltung, so, als empfinde er Bedauern für etwas, das er getan hatte - oder noch würde tun müssen -, und wolle sich bei Dao-Lin-H´ay dafür vorab entschuldigen.
Diese Melancholie mußte sich sogar in Tekeners Ionenhaushalt niedergeschlagen haben, so daß Cugarittmo darauf aufmerksam geworden war. Nur hatte er sie falsch gedeutet und auf sich und seine Mundänen bezogen.
Aber es verhielt sich ganz anders. Tekener nahm Abschied von Dao-Lin-H´ay. Das gefiel Atlan ganz und gar nicht.
Cugarittmo und seine Leute steigerten sich in einen Siegestaumel ohnegleichen.
Es störte sie in keiner Weise, daß die Instrumente der SOL keinerlei brauchbare Weite lieferten und sie mitsamt dem Hantelschiff einem unbekannten Transportmedium ausgeliefert waren. Sie sahen sich bereits am Ziel ihres Unternehmens und die Bastion der ESTARTU gegen einen Haufen hilfloser Mom´Serimer erobern.
Doch dann rissen sie die unerklärlichen Vibrationen, die die SOL heimsuchten, aus ihren Träumen. „Was hat, das zu bedeuten?" erkundigte sich Cugarittmo aufgebracht. „Eine harmlose Begleiterscheinung", versuchte Tekener ihn zu beruhigen. „Man gewöhnt sich daran."
Die Vibrationen wurden immer heftiger und gingen schließlich in das bekannte Rütteln über, das viele Solaner seekrank gemacht hatte. Atlan beobachtete die Mundänen und stellte fest, daß ihnen die heftigen Erschütterungen offensichtlich mehr zu schaffen machten als den Menschen.
Sie bekamen Gleichgewichtsstörungen, suchten verzweifelt nach Halt. Cugarittmo ging in die Knie und stützte sich am Boden mit den Händen ab. Seine Gefährtin Serizza lehnte sich mit gequältem Gesichtsausdruck gegen das Schaltpult, an dem Tangens der Falke Dienst tat. Sie stierte ihn mit blutunterlaufenen Augen aus ihrem ansonsten ausdruckslosen Gesicht an. Dabei massierte sie sich mit der einen Hand den Nacken, während sie sich mit der anderen am Pult abstützte. „Abstellen!" verlangte sie mit rauher Stimme. „Tu etwas, damit dieses Gerüttel aufhört."
„Das kann ich nicht", beteuerte Tangens.
Cugarittmo gab gequälte Laute von sich. Die Haare stellten sich ihm auf, der Kopf machte eine halbe Drehung, und dann zeigte er sein Kampfgesicht. Aber es wurde deutlich, daß er dies nicht willentlich tat, sondern daß es sich um eine Art motorischen Reflex handelte, der ihm Schmerzen verursachte. Er löste die eine Hand vom Boden, griff nach dem schweren Bi-Handstrahler, den er geschultert hatte, und brachte ihn gegen Ronald Tekener in Anschlag. „Wenn du nichts gegen das Rütteln unternimmst, töte ich dich, Tekener!" sagte er stöhnend. Man sah ihm an, daß dies keine leere Drohung war. „Ich hatte ja keine Ahnung...", stammelte Tekener. „Red nicht herum, tu was!" verlangte Cugarittmo. „Klar, sofort!" versicherte Tekener. „Das ist kein Problem." Er erhob die Stimme und rief zu dem Schaltpult hinüber, an dem Tangens der Falke saß: „Tangens, schalt den Rot-Kreuz-Schirm für die Absorption der Erschütterungen ein! Aber rasch, damit Cugarittmo und seine Leute nicht länger strapaziert werden."
„Den ... was?" erkundigte sich Tangens der Falke verblüfft. „Den Rot-Kreuz-Schutzschirm", wiederholte Serizza laut neben ihm und hielt ihm die leuchtende Klinge ihres Vibratorschwertes an die Kehle. „Mach schon!"
Plötzlich, als hätte die drohende Waffe an seiner Kehle Tangens' Erinnerung nachgeholfen, zeichnete sich Erkennen auf seiner Miene ab. „Den Rot-Kreuz-Schirm, verstehe", sagte er wissend. „Ich nehme sofort die entsprechenden Justierungen vor."
Auch Atlan durchschaute sofort, was Tekener im Schilde führte, und ihm wurde auch klar, warum die Szene zwischen Tek und Dao-Lin-H´ay nach Abschied angemutet hatte. Als er nun dem Blick der Kartanin begegnete und sie ihm zunickte, da wußte er, daß es ihre Entscheidung war, sich für die anderen zu opfern.
Niemand hatte ahnen können, daß die beständigen Erschütterungen, die die SOL durchliefen, den Mundänen so arg zusetzen würden. Aber Ronald Tekener hatte mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen können, daß diese Cugarittmos Unmut erregen würden, und er verlangte, diesen entgegenzuwirken.
Darauf baute Tekeners - oder sollte es richtigerweise heißen, Dao-Lin-H´ays? Plan auf. Daß der Spürsinn der Mundänen durch die Erschütterungen offensichtlich beeinträchtigt wurde,
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