2009 - komplett
den Jungen. „Lauf, und sage ihm, dass wir wieder zu Hause sind.“
„Warte.“ Gordon Douglas studierte die angekohlte Nachricht und reichte sie dann wortlos seiner Tochter.
Während sie las, beobachtete er ihr Gesicht. Wieder und wieder las sie die Botschaft, als könnte sie nicht glauben, was sie sah. Mit einem Schrei drehte sie sich zu Brock um. „Schnell, schau nach, ob das Pferd da ist.“
Verwirrt tat der Junge, wie ihm geheißen. Wenig später war er wieder zurück. „Das Pferd ist fort, Lindsay.“
„Und auch mein einziger Bogen und Köcher, wie ich befürchtet habe. Großer Gott im Himmel!“ Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und barg das Gesicht in den Händen.
Dabei fiel das Pergament auf den Boden. Ihr Vater bückte sich, hob es auf und las es dann den Kindern laut vor.
Auch wenn der größte Teil der Botschaft verbrannt war, so ließ der Rest der Worte doch den Inhalt der Botschaft erkennen.
„Warte ... nicht....Verzeih mir ... nehme das Pferd und die Waffen. Ich liebe dich ...
nicht ... Morgan.“
Jedes laut ausgesprochene Wort war wie ein weiteres Messer, das sich in Lindsays Herz bohrte. Während der alte Mann und die Kinder sich um sie scharten, schluchzte sie, bis sie keine Tränen mehr hatte.
In dieser Nacht saß sie in der stillen kleinen Hütte vor dem Feuer und durchlebte noch einmal jeden Augenblick, den sie mit Morgan McLarin verbracht hatte. Wie war es ihm nur gelungen, so überzeugend zu lügen? Wie hatten sie alle nur so blind für die Wahrheit sein können?
Sie würde den Mut aufbringen müssen, sich einer schrecklichen, schmerzhaften Tatsache zu stellen. Sie hatte ihr Herz an einen Schurken und Dieb verloren. Und was noch schlimmer war, durch ihre Schuld war ihre Familie jetzt in einer schlimmeren Lage als zuvor. Denn es bestand die Gefahr, dass sie Morgan McLarins Kind trug.
Wenn die Dorfbewohner von ihrer Sünde erfuhren, würde man sie und ihre ganze Familie zu Ausgestoßenen stempeln.
Wie in Trance legte sie ihren Mantel, den Dolch und auch die Felle bereit, die sie sich morgen für den langen, kalten Weg zum Dorf um die Füße wickeln musste. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Um ihrer Familie willen würde sie Heywood Drummonds Angebot, sie am Weihnachtstag zu heiraten, annehmen.
10. KAPITEL
In diesem Jahr wurde das Christfest im Hochland als eine traurige und glückliche Zeit zugleich begrüßt. Eine traurige Zeit, weil die Kunde vom Tod des alten Laird durchgesickert war. Man würde sich an ihn als einen Mann erinnern, der seinen Verbündeten gegenüber sein Wort gehalten hatte. Er hatte seine Soldaten überall dort hingeschickt, wo immer ein Angriff der Fremden stattfand. Es war aber auch eine glückliche Zeit, weil die Nachricht umging, er wäre in den Armen seines kürzlich heimgekehrten Sohnes gestorben, der nicht tot, sondern nur verwundet gewesen war. Man erzählte sich, auch sein Sohn wäre, wie zuvor der Vater, ein ehrenwerter Mann, ein Mann, der zu seinem Wort stand.
Das Hochland war mit Schnee überstäubt. Stille schien sich über das Land gesenkt zu haben. Im Dorf Braemer freute man sich, denn ein Priester war gekommen und erbot sich, die Mette zu halten, bei der alle im letzten Jahr geborenen Kinder getauft und auch eine Trauung abgehalten werden sollte. Die Heirat von Lindsay Douglas und Heywood Drummond. Die Leute aus den umliegenden Dörfern waren herbeigeeilt, und die kleine Dorfkirche war brechend voll mit Familien, die begierig darauf warteten, dass die Feierlichkeiten begannen.
In einem kleinen Raum abseits saß Lindsay, die kalten Hände im Schoß gefaltet, während ihr Vater auf und ab ging.
„Wo ist Brock, Vater?“
„Er weigert sich, bei deiner Hochzeit dabei zu sein. Und ich kann ihn dafür nicht schelten. Du kannst das doch nicht zu Ende führen, Mädchen.“
„Ich muss.“
„Warum willst du nicht auf mich hören?“ Der alte Mann bekam einen Hustenanfall, und Lindsay bemerkte den besorgten Ausdruck in Gwens Augen.
Deinetwegen, dachte sie. Und wegen Gwen und Brock. Laut aber sagte sie nur: „Es ist alles abgemacht, Vater. Es gibt kein Zurück.“
„Du liebst ihn nicht.“ Gordon schlug mit der Faust gegen einen großen, hölzernen Ständer.
„Soll Liebe die einzige Antwort sein?“ Sie reckte das Kinn vor und bereitete sich auf eine weitere Auseinandersetzung vor. „Wenn, dann sollte ich bereits glücklich sein.
Denn ich liebte Morgan McLarin. Und im Gegenzug nahm er mir alles. Nahm er uns alles und ließ uns in
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