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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Ich meine die Hölle. Da spielen die Besten. Da will keiner hin. Davon träumt jedes Kind, dem Fußball etwas bedeutet. Und davon träumt jeder, der sich umbringen will. Ich mein’ nicht in echt.‘ Er schaute mich an.
    ‚Ich meine nur da.‘ Er streckte die Hand aus und berührte hier meine Brust. An der Stelle, wo wir unser Zeichen tragen. Das wilde Emblem: das listige Auge über dem fauchenden Maul. ‚Da bringt ihr euch um‘, flüsterte Willi dämonisch. ‚Ja, das tötet ihr, wenn ihr nach Donnerschlag geht. Ihr killt euren Mut. Und wenn der einmal tot ist, seid ihr nichts mehr wert. Denn wenn man nach Donnerschlag geht, hat man nur eine einzige Chance. Die muss man nutzen. Und wenn man scheitert, ist es aus und vorbei. Dann ist es zappenkrautfinster mit Fußball, hörst du. Dann dürft ihr nicht weiterspielen. Dann seid ihr zu schlecht und dann endet ihr alle so wie ich oder Edgar oder wie Bill, hörst du, Bill: der Kringelsocken-Flugzeug-Propellermann. Ihr endet, wie meine Mannschaft geendet ist. Ich meine mein Team, in dem ich gespielt habe, als ich so alt war, wie ihr es jetzt seid. Ihr endet als Butler bei reichen Schnöseln, als Verkäufer in einem vergammelten Kiosk oder wie Bill unter einer Brücke am Fluss.‘ Willi schaute mich an und er nahm meine Hand. ‚Das willst du doch nicht!‘, bat er mich flehend.“
     „Halt! Einen Moment!“, unterbrach ich den Slalomdribbler. „Dann ist die Geschichte von Willis Knie nur gelogen? Dann hat ihn der Vater vom Dicken Michi gar nicht verletzt?“
    „Doch“, sagte Leon. „Aber das Knie war nicht schuld. Das war nur ’ne Ausrede. In Wirklichkeit hat Willi sich selber besiegt.“
    „Und du?“, fragte Marlon. „Was hast du dann gemacht?“ Die Nummer 10 der Wilden Kerle war jetzt ganz ruhig. „Was hast du dann gemacht, als du von Donnerschlag wusstest?“
    „Ich?“, fragte Leon und seine Augen begannen zu leuchten, wie sie sonst nur beim Torjubel leuchten können. „Ich wollte dahin. Ich wollte nach Donnerschlag . Ich wollte der Beste sein oder zu den Besten gehören. Kacke verdammte. Ich hab Willi verflucht. Ich hab ihm gesagt, dass ich kein Angsthase bin, und dann bin ich auf mein Fahrrad gesprungen. Ich bin durch die Stadt zu euch gerast. Ihr wart bei Vanessa. Sie hatte Geburtstag, und zur Feier des Tages gab es ein Geburtstagsfußballturnier. So wie ein Jahr zuvor, als Vanessa zu uns nach München kam: Kacke verdammte! Und ihr hattet alle so einen Spaß. Erinnert ihr euch, wie Vanessa noch einmal die rosa Pumps anzog und mir den Ball um die Ohren drosch? Ihr habt gelacht und gejubelt, doch ich hatte nur einen Gedanken: Wie sag ich es euch? Wie kann ich euch sagen, dass ich das alles riskieren will? Aufs Spiel setzen und, falls es schiefgehen sollte: Für immer und ewig beenden? Den ganzen Nachmittag hab ich gewartet, um es euch endlich sagen zu können. Doch ich hab’s nicht geschafft. Ich hab Hilfe gebraucht. Und deshalb hab ich dich gesucht. Ja, dich, Marlon, dich, meinen größeren Bruder. Du solltest mir helfen. Du warst das Herz unseres Teams. Doch als ich dich endlich gefunden hab, im hintersten Winkel des Gartens, warst du nicht allein. Vanessa war bei dir und ihr habt euch geküsst.“
    „Tortengussschmusiger Spotzentausch!“ Ich musste das sagen. Ich konnte nicht anders. Doch Leon und die anderen hörten nicht hin.
    „Ihr wart ganz allein“, erzählte Leon weiter. „Und ihr habt euch geschworen, dass es immer so bleibt. Dass sich nie etwas ändert.“ Er machte eine Pause und schaute zu Marlon. „Da bin ich gegangen. Und zwei Wochen später hab ich mit Vanessa gesprochen. Ich hab sie gefragt, ob sie das wirklich will. Dass alles so bleibt. Und sie hat genickt.“
    Er warf einen Blick zu Vanessa hinüber. Die schaute zu Marlon.
    „Sie hat mir gesagt, dass sie glücklich ist. Dass ihr glücklich seid und alle anderen auch. Und sie hatte recht. Wir hatten damals unser prächtigstes Jahr. Wir kamen aus Hamm von den Biestern zurück und haben alle geschlagen. Da hab ich den Schlüsselanhänger genommen und hab ihn … ich hab ihn …“ Leon fiel es nicht leicht. „Ich hab ihn dann in den Müll geworfen.“
    „Nein“, stöhnte ich auf, und so stöhnten auch Markus, Maxi, Juli und Raban. „Das hast du nicht getan! Leon! Das durftest du nicht.“
    Doch Leon war fertig. Er hatte alles gesagt, und jetzt schwiegen alle. Wir schwiegen und hörten zu, wie unsere Zähne vor Kälte zu klappern begannen. Eisbomben gefrorener

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