2.01 Donnerschlag
Reckturnerin um einen Ast und kickte den Ball vor das Tor der Wölfe, wo Leon bereits vor Hagen und Tronje an einer Liane durch die Luft flog.
„Barcelonisch-Messianisches-Sommermärchen! Das war ein schweinsteinscher Piraten-Spielzug!“ Ich tanzte vor Freude auf meinem Turm. Da entdeckte ich Erik. Potz Blitz detoniertes Salpeterfass! Schon wieder der Kerl!
„Leon, pass auf!“, warnte ich den Slalomdribbler. „Erik fängt deinen Torschuss ab.“
„Aber ich schieße doch gar nicht!“, lachte die Nummer 13 und passte das Leder mit einem Schulbuchfallrückzieher zu seinem Bruder zurück. Der stand hinter ihm auf der Brücke und wartete seelenruhig auf den Ball. Er sprang in die Luft, holte mit dem linken Bein Schwung und schoss dann mit rechts aus dem Scherenschlag. Er zog sein Bein durch, von rechts nach links: Baahmmm! Und Gilead, der Keeper der Wölfe, tauchte sofort in die linke untere Ecke. Aber Marlon, das Schlitzohr, kippte im letzten Augenblick den Fuß und zwirbelte den Ball mit dem rechten Außenspann in den rechten oberen Winkel.
Ich ballte die Fäuste. Ich streckte die Arme und ich schrie schon das Zauberwort.
„Tor!“, schrie ich, „Tor!“ Da prallte der Ball gegen das Lattenkreuz und flog in einem eirigen Bogen zum Ersatzbankturm der Wölfe hinauf. Dort vollzog Klette mit Freya einen fliegenden Wechsel und sprang aus dem Turm. Sie köpfte den Ball einmal quer durch die Halle, und während ich entsetzt zusah, wie sie auf den Boden zuraste, um dort zu zerschellen, flog das Leder vor Markus’ Tor.
„Oh, mein Gott!“, schrie ich auf. Ich riss die Hände vor meine Augen, ich entdeckte das Bungeeseil und ich sah, wie es Klette – im allerletzten Moment –, bevor sie auf dem Boden aufschlug, wieder nach oben zog.
„Oh mein Gott!“, schrie ich noch einmal völlig erleichtert. Und genauso erleichtert sah ich danach, wie Markus an den Rand der Torplattform trat, um Klettes Kopfball zu fangen. Das war ein Kinderspiel für den Keeper. Er hob schon die Hände, um das Leder zu fangen. Da hörten wir alle ein windiges Rauschen. Wir schauten nach oben und sahen, wie April aus dem Vollmond fiel. Sie fiel in die Tiefe, ergriff die Äste der Bäume, fing so ihren freien Fall aus der höchsten Höhe der Höhle Stück für Stück ab, schwang sich von einem Baum zum anderen und kickte den Ball, kurz bevor Markus ihn fing, lässig ins Tor.
„Huh!“, seufzte sie und landete atemlos grinsend neben dem völlig verdatterten Torwart. „Das war wohl die Vier. Willkommen in Donnerschlag !“
Sie grinste ihn an und suchte dann Marlon: „Und bevor ihr wieder zu diskutieren beginnt, geben wir euch lieber ein kurzes Time-out . Sagen wir vielleicht zehn Minuten? Reichen dir die, damit du noch einmal über gestern Nacht nachdenken kannst? Über mein Angebot, hörst du, und über den Kuss. Oder nein. Es waren ja mehrere. Anscheinend haben sie dir gefallen!“
Sie schenkte Vanessa ein mitleidiges Lächeln, ergriff eine Liane und schwang sich auf die Seite der Wölfe zurück.
DIE GROSSE VERSUCHUNG
Die Wölfe saßen am Rand der Plattform vor ihrem Tor, ließen die Beine nach unten baumeln und beobachteten neugierig, was wir taten.
Doch wir waren erstarrt. Wir hockten und standen noch immer über die ganze Höhle verteilt auf den Positionen, auf denen wir uns zum Zeitpunkt von Aprils Tor befunden hatten, und hatten alle nur einen Gedanken. ‚Marlon, sag bitte, dass das nicht stimmt!‘
Doch Marlon schwieg hilflos. Er stand auf der Brücke und schaute immer wieder zu Vanessa hinüber. Die ignorierte ihn wütend. Sie raufte sich sprachlos die Haare. Sie war maßlos enttäuscht und weinte stumme und bodenlos traurige Tränen.
Da ging er endlich auf sie zu. Langsam und vorsichtig. Nur ein oder zwei, vielleicht drei kleine Schritte. Und obwohl sie noch 30 Meter von ihm entfernt unter dem Baum neben dem Serpentinenweg hockte, sprang sie auf und lief weg.
„Vanessa, ich bitte dich!“, eilte Marlon ihr nach. Doch sie drehte sich um.
„Lass mich. Ich will dich nie wieder sehen!“, schrie sie ihn an, sprang auf ihr Fahrrad, riss es auf dem Hinterreifen herum und raste durch den Efeuvorhang in den Tunnel, der aus dem Stadion führte. Marlon schaute von den sie verschluckenden Schlingpflanzen zu seinem Bruder. Er schaute zu Markus und Maxi, zu Raban und Juli, er schaute in ihre kalten Gesichter, und als er erkannte, dass keiner bereit war, ihn zu verstehen oder zumindest Erbarmen zu zeigen, schaute er
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