2012 - Folge 10 - Im Bann der Loge
gerechnet.«
»Ihren Abschiedsbrief eingerechnet?«
»Wenn Sie gerade versuchen, lustig zu sein, gelingt Ihnen das nicht sonderlich gut. Was sagten Sie, wann ging die Mail bei den einzelnen Empfängern ein? Eine Minute nach der Explosion?«
»Das ist richtig. Aber abgesendet wurde sie drei Minuten vorher. Das geht aus der Datei eindeutig hervor. Aber das habe ich Ihnen ja schon mindestens fünfmal erzählt.«
»Genauso oft wie ich Ihnen, dass ich zu dieser Zeit im Keller mit Robert Sanderson zusammen war.«
Die Tür öffnete sich und ein weiterer Kollege trat ein. »Sanderson hat Ihre Aussage bestätigt.«
»Natürlich hat er das.«
»Sie können gehen. Ich bitte Sie, das Missverständnis zu entschuldigen, aber wir haben nur unseren Job getan.«
Colin Mason setzte sich aufrecht hin und glotzte seinen Kollegen an. »Du glaubst ihm?«
»Selbstverständlich! Warum sollte er einen Abschiedsbrief schreiben und sein Büro in die Luft jagen, während er sich im Keller aufhält? Das ergibt keinerlei Sinn. Vielmehr sollten wir nach Leuten suchen, denen er auf die Füße getreten ist und die noch eine Rechnung mit ihm offen haben.«
McDevonshire stemmte sich aus dem unbequemen Stuhl, nickte den Beamten zu und verließ das Büro. Während der Lift ihn nach unten brachte, ging ihm ständig dieser eine Satz im Kopf herum.
Wir sollten nach Leuten suchen, denen er auf die Füße getreten ist.
Wieder fiel ihm Tom Ericson ein, der behauptete, die Beweise für seine Schuld seien gefälscht. Genau wie die E-Mail, die McDevonshire angeblich geschrieben hatte. Hieß das, dass die Loge nun auch hinter ihm her war? Aber warum? Was hatte er getan, dass man ihn aus dem Weg räumen wollte?
Du hast Zweifel an Ericsons Schuld geäußert.
Und Jorgensens Tod? Ein Zufall? Oder das versehentliche Opfer eines Mordanschlags, der eigentlich ihm gegolten hatte?
Wenn diese Loge dachte, er würde sich nun ängstlich verkriechen, täuschte sie sich! Er musste unbedingt diesen Ericson finden. Vielleicht konnten sie gemeinsam etwas gegen diese mysteriöse Vereinigung ausrichten.
McDevonshire verließ das Gebäude und schob sich durch etliche Schaulustige, die noch immer ausharrten und glotzten, zu seinem Wagen.
Spencer McDevonshire tat etwas, das in seinem Leben Seltenheitswert besaß: Er fuhr zu einem Laden für Elektronikbedarf. Da man ihn nicht gerade als Spezialisten für derartige Einkäufe bezeichnen konnte, steuerte er keines von den kleinen Fachgeschäften an, sondern die Filiale einer großen Kette am Ufer der Themse. Dort würde er sicher so ein GPS-Gerät herbekommen.
Schon als er den Jaguar auf den großflächigen Kundenparkplatz rollen ließ und dort kein weiteres Fahrzeug vorfand, war ihm klar, dass er zu früh dran war. Der Laden hatte noch geschlossen.
Um sicherzugehen, stieg er aus und ging den Weg über eine Rasenfläche zum Haupteingang. Aus dem Augenwinkel sah er einen zweiten Wagen auf den Parkplatz fahren. Also war er nicht der einzige Kunde. Sicher öffnete der Laden um zehn Uhr.
Er verharrte, als er das Schild am gläsernen Eingang entziffern konnte:
AM 29.12.2011 WEGEN INVENTUR GESCHLOSSEN
Mist!
Er drehte sich um und machte sich auf den Rückweg zum Wagen, neben dem, wie er von weitem sah, inzwischen ein BMW parkte. Über den Rasen kam ihm ein Mann im Maßanzug entgegen. Jemand wie der Commissioner, der selbst nichts von der Stange kaufte, erkannte das auf den ersten Blick. Sicher der Fahrer des deutschen Autos. Vielleicht konnte der ihm eine andere Adresse verraten, wo er …
Als McDevonshire sah, dass es sich um einen Indio handelte, verharrte er.
Der Mann grinste und zog ein Blasrohr unter der Anzugsjacke hervor.
Die Loge!
McDevonshire überlegte nicht lange. Er warf sich herum und rannte. Vor seinem geistigen Auge tauchte mit einem Mal ein Szenario auf, in dem Jorgensen vor just diesem Indio davonlief und dabei vor den Bus geriet. Hatte es sich so abgespielt?
Denk nicht an Jorgensen. Denk an dich!
Wie weit war der Kerl entfernt? Dreißig Meter? Zwanzig?
Und die wichtigere Frage: Wie weit konnte man mit einem Blasrohr treffgenau schießen?
Er hatte keine Ahnung, hoffte aber, dass es ihm zum Vorteil gereichte, dass die Waffe nur etwas länger als ein Unterarm war. Das musste sich negativ auf die Reichweite auswirken. Oder? Außerdem konnte sein Verfolger nicht aus dem Lauf heraus schießen, sondern brauchte einen festen Stand und ruhigen Atem.
McDevonshire sah zurück und sein Herz setzte einen
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