Jan Zweyer
Siebte Sohle,
Querschlag West
Kriminalroman
grafit
© 1999 by GRAFIT Verlag GmbH
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Umschlagzeichnung: Peter Bucker
Druck und Bindearbeiten: Fuldaer Verlagsanstalt ISBN 3-89425-230-8
Während der Nachtschicht nimmt das Leben des Bergmanns Heinz Schattler ein jähes Ende. Als Täter kommt nur ein Arbeitskollege in Frage, das steht für die ermittelnden Beamten schnell fest.
Doch wer hatte ein Motiv? Gleichzeitig versucht Rainer Esch herauszufinden, wer die Jugendlichen sind, die die Witwe Schattlers, eine
Kioskbesitzerin, erpressen. Doch dann wird ausgerechnet Eschs Freund Cengiz Kaya des Mordes verdächtigt…
1
Volker Krytcak blätterte ein weiteres Mal durch die ›Nichtheraus-Liste‹ des Bergwerks Eiserner Kanzler in Recklinghausen. Doch auch jetzt las der Steiger den Namen Heinz Schattlers an der dritten Stelle. Möglicherweise hatte Schattler vergessen, seinen Ausweis durch das Lesegerät der Arbeitszeiterfassung am Schacht zu ziehen. Eine bewusste Unterlassung schloss Volker Krytcak aus, da Schattler sonst die Schicht nicht vollständig bezahlt bekommen würde.
Vielleicht hatte das Gerät einen Defekt. Oder der Bergmann war noch unter Tage.
Der Steiger sah in der Lampenstube nach, ob die Kopflampe und der Filterselbstretter Schattlers in dessen Fach lagen.
Fehlanzeige.
Krytcak ging zurück in die Steigerstube und rief den Personalleiter Karl Meiner an. »Glück auf. Krytcak. Karl, habt ihr ‘nen Defekt anner Zeiterfassung an Schacht 1/2?«
»Auf. Nicht dass ich wüsste. Warum?«
»Ach, einer meiner Leute steht auffer Nichtheraus-Liste.
Lampe und Filter sind auch nich da.«
»Dann pennt der Kerl in irgendeiner Ecke unter Tage. Wo war der eingesetzt?«
»Revier 32. Ich ruf die Morgenschicht an. Auf.«
Das Klingeln des schlagwettergeschützten Telefons war auf der siebten Sohle in der Nähe des Kohlenstrebes kaum zu hören. Das laute Brummen der schweren Antriebsmotoren für das Kohlengewinnungsgerät, das Rasseln des Panzerförderers, das Knallen und Knirschen des Brechers, in dem die Kohlebrocken aus dem Streb zu handlicher Größe zerkleinert wurden, das Rauschen der Frischwetter aus den Lutten –
elastische Kunststoffrohre, in denen Luft herangeführt wurde –
und das rhythmische Tack-Tack der Rollen des Förderbandes schufen einen Geräuschpegel, in dem sich die Bergleute nur schreiend verständigen konnten.
In der Kohlenabfuhrstrecke waren mehrere Kumpel damit beschäftigt, die Container einer Einschienenhängebahn zu entladen, um die Hydraulikstempel zur Sicherung des Überganges vom Streb in die Strecke an ihren Einsatzort zu schaffen. Die Luft war heiß und voller Kohlenstaub, der sich auf den schweißnassen, nackten Oberkörpern der Bergleute niederschlug und im Schein der trüben Kopflampen glitzerte.
Endlich griff einer der Kumpel zum Telefonhörer, meldete sich und schrie dann gegen den Krach an in das Dunkel:
»Steiger, für dich.«
»Komme«, brüllte eine Stimme zurück.
Steiger Walter Kusche tauchte nach einigen Momenten aus der Dunkelheit auf.
»Kusche«, rief er in den Hörer. Und einige Sekunden später:
»Was soll ich machen? Aber ich muss doch hier erst… – Ja, gut. Weil du’s bist. – Ja, ich melde mich dann. Glück auf.«
Kusche wandte sich an den Bergmann neben ihm.
»Jochen, wir müssen einen suchen. War auf Nachtschicht an der Bandübergabe weiter hinten eingesetzt. Ist gestern angefahren, aber nicht wieder nach über Tage gekommen. Sag Charly Bescheid, dass wir beide gehen. Und nimm eine Leuchte mit.«
Der Lärm wurde geringer, je weiter sich die beiden Bergleute von ihrem Arbeitsplatz entfernten. Nur vereinzelt trafen sie noch auf andere Kumpel, die aus der Entfernung lediglich am Schein ihrer Kopflampen zu erkennen waren. Einige waren damit beschäftigt, Kohlenstaub, der vom Förderband gefallen war, auf das Band zurückzuschaufeln. Andere versuchten, die hochquellende Sohle mit Spezialmaschinen, den so genannten Senkladern, zu beseitigen.
Nach zwanzig Minuten erreichten Walter Kusche und Jochen Frühsee die Bandübergabe. Das Förderband, das die Kohle aus dem Streb transportierte, endete an dieser Stelle. Die Kohle stürzte in einen kleinen Bunker und fiel von da aus auf ein weiteres Förderband, das im rechten Winkel abgehend in einem Querschlag verschwand.
»Hier hat der Kollege