2012 - Schatten der Verdammnis
ebnen.« Foletta beugt sich vor und legt Dominiques Akte auf den Tisch. »Aber jetzt sprechen wir mal ein wenig über Sie. Ich bin recht neugierig. Schließlich gibt es mehrere andere Institutionen, die näher an Ihrer Uni liegen als unsere. Wie sind Sie auf uns gekommen?«
Dominique räuspert sich. »Meine Eltern wohnen drüben in Sanibel. Das sind von hier aus nur zwei Autostunden. Bisher konnte ich leider nicht so oft nach Hause fahren.«
Foletta streicht mit seinem dicken Zeigefinger über ihre Akte. »Hier steht, Sie stammen ursprünglich aus Guatemala.«
»Stimmt.«
»Wie hat es Sie nach Florida verschlagen?«
»Meine Eltern - meine richtigen Eltern - sind gestorben, als ich erst sechs war. Da hat man mich zu einem Cousin nach Tampa geschickt.«
»Aber das ist nicht lange gut gegangen?«
»Ist das so wichtig?«
Foletta hebt den Kopf. Seine Augen sehen nicht mehr schläfrig aus. »Ich stehe nicht besonders auf Überraschungen, Ms. Vazquez. Bevor ich meinen Leuten Patienten zuweise, will ich über ihren psychischen Zustand Bescheid wissen. Die meisten Insassen machen uns nicht viel Probleme, aber man muss immer im Hinterkopf behalten, dass manche von ihnen gewalttätig werden könnten. Die Sicherheit meiner Leute steht für mich an erster Stelle. Was ist in Tampa vorgefallen? Weshalb sind Sie in einem Waisenhaus gelandet?«
»Sagen wir mal, die Sache mit meinem Cousin hat nicht allzu gut geklappt.«
»Hat er Sie vergewaltigt?«
Dominique ist verblüfft von seiner Direktheit. »Wenn Sie es unbedingt wissen müssen - ja. Da war ich gerade mal zehn Jahre alt.«
»Und dann kamen Sie in psychiatrische Behandlung?«
Sie erwidert seinen forschenden Blick. Bleib cool, er stellt dich auf die Probe. »Ja, bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr.«
»Fällt es Ihnen schwer, darüber zu sprechen?«
»Es ist nun mal passiert, aber jetzt ist es vorbei. Bestimmt hat es meine Berufswahl beeinflusst, wenn Sie darauf hinauswollen.«
»Ihre Hobbys hat es offenbar auch beeinflusst. Hier steht, sie haben den zweiten Dan in Taekwondo. Wenden Sie Ihre Fähigkeiten manchmal an?«
»Nur bei Turnieren.«
Die Lider öffnen sich weit; die Intensität der blauen Augen zieht sie in den Bann. »Sagen Sie mal, Ms. Vazquez, taucht eigentlich das Gesicht Ihres Cousins vor Ihnen auf, wenn Sie Ihren Gegnern einen Tritt versetzen?«
»Manchmal.« Sie streicht eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wen hatten Sie denn im Sinn, als Sie Football bei den >Fighting Blue Hens< gespielt haben?«
»Eins zu null für Sie.« Der Blick kehrt zu ihren Unterlagen zurück. »Gehen Sie oft aus?«
»Mein gesellschaftliches Leben interessiert Sie also auch?«
Foletta lehnt sich zurück. »Traumatische sexuelle Erfahrungen, wie Sie sie gemacht haben, führen oft zu sexuellen Störungen. Ich will einfach nur wissen, mit wem ich zusammenarbeite.«
»Ich habe keine Abneigung gegen Sex, wenn Sie das vermuten. Allerdings hab ich tatsächlich ein gesundes Misstrauen gegenüber zudringlichen Männern.«
»Das ist kein Reha-Zentrum hier, Ms. Vazquez. Um mit kriminellen Insassen umzugehen, brauchen Sie eine dickere Haut, als Sie womöglich meinen. Wir haben hier Männer, die sich einen Namen gemacht haben, weil sie nicht allzu zart mit hübschen Studentinnen wie Ihnen umgesprungen sind. Da Sie von der FSU kommen, wissen Sie wohl, was ich meine.«
Dominique atmet tief durch, um ihre angespannten Muskeln zu lockern. Verdammt, sei nicht so empfindlich und pass endlich auf. »Sie haben Recht, Dr. Foletta. Entschuldigung.«
Foletta klappt die Akte zu. »Ehrlich gesagt, hab ich eine spezielle Aufgabe für Sie im Sinn, aber ich muss mir absolut sicher sein, dass Sie dafür geeignet sind.«
Dominique horcht auf. »Probieren Sie’s mal.«
Foletta zieht einen dicken braunen Aktendeckel aus der obersten Schreibtischschublade. »Wie Sie wissen, hält man in dieser Anstalt viel von multidisziplinärer Teamarbeit. Jedem Patienten werden ein Psychiater, ein klinischer Psychologe, ein Sozialpädagoge, ein psychiatrischer Pfleger und ein Rehabilitationstherapeut zugeteilt. Als ich hier angekommen bin, hab ich zuerst gedacht, das wäre etwas übertrieben, aber das Ergebnis hat mich überzeugt - besonders in den Fällen, in denen es um Drogenabhängige geht und um Leute, die
wir auf ein anstehendes Gerichtsverfahren vorbereiten müssen.«
»In diesem Fall liegt die Sache aber anders?«
»Genau. Der Insasse, den Sie betreuen sollen, ist ein Patient von mir. Er stammt
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