2134 - Vorstoß nach Vision
Der Blick hinauf ließ nur erahnen, dass der Turm innen hohl war. Die Augen konnten dies nicht feststellen, denn die Leere über ihnen war mit alles Licht absorbierender Finsternis gefüllt.
Startac blickte noch einmal zu Sihame und Atlan zurück. Die Prinzessin verschwand fast zur Gänze in der Menge der mit ihren Visienten herumeilenden Trageroboter. Nur der Arkonide überragte sie durch seine Körpergröße. „Wir haben das Zentrum erreicht", sagte Trim und wippte auf den Zehenballen. „Ich fühle mich wie schwerelos."
„Dann mach du den Anfang, Trim", ermunterte ihn der Freund.
Trim ging etwas in die Knie und stieß sich von der Spiegelfläche ab. Langsam glitt er in die Höhe, als sei für ihn die Schwerkraft des Planeten aufgehoben. Es war wie in einem Antigravschacht ohne Richtungsvektor. Der Para-Defensor bewegte sich Zentimeter für Zentimeter nach oben, ohne dass die Gravitation ihn einholen konnte. Es war noch ein langsames, gemächliches Schweben, das Trim nach oben führte, aber bald waren aus den Zentimetern Meter geworden, und es ging weiterhin unaufhaltsam und mit leicht steigender Geschwindigkeit nach oben. Die staunend nach oben blickenden Visienten wurden kleiner und kleiner.
Etwas unterhalb von Trim glitt Startac, in stets gleich bleibendem Abstand. Trim erwartete jeden Moment, dass der Freund zurückfallen würde, wie es schon im Turm des Statistikers Rik passiert war. Doch Startacs Abstand zu ihm vergrößerte sich nicht. „Ich glaube, diesmal klappt es", frohlockte Startac.
Trim hätte es dem Freund gegönnt. Er wollte nicht allein in die Höhe des Turms vordringen. Wer konnte schon sagen, was ihn dort erwartete?
Obwohl dieser Turm seelenlos und verwaist schien, war alles möglich. Die fehlende mentale Präsenz konnte sich sogar als zusätzliche Gefahr erweisen. Trim begann zu spüren, wie sich Kälte um ihn ausbreitete und in ihn eindrang, wie sie sich in sein Innerstes schlich. Und die zunehmende Leere begann an seinem Geist zu saugen.
Trim wehrte sich mit aller Kraft gegen die Zersetzung seines Geistes. Denn hier oben - in diesem geistigen Vakuum - kam es nur auf eiserne Willenskraft an. Es war ihr starker Wille, der sie nach oben driften ließ. Nur die Vorstellungskraft, in die Spitze des Turms zu gelangen, dieser feste, unerschütterliche Wunsch, trieb Trim weiter in die Höhe.
Ebenso Startac! Der Freund blieb an seiner Seite. Trim merkte es an seinem Atem, an seinem Keuchen und gelegentlichen Aufstöhnen. Startac hatte einen mindestens so starken Willen wie er selbst. Und auch er wollte nach oben, in die Spitze des Turms. Das geringste Anzeichen von Schwäche hätte die beiden Mutanten unweigerlich absacken lassen. Trim widersetzte sich der Kälte. Und versperrte seinen Geist vor der Leere, die alles wie ein Moloch in sich aufsaugen wollte.
Sie waren schon weit nach oben gelangt. Sie hatten eine so schwindelnde Höhe erreicht, dass auf dem fernen Spiegelboden keine Einzelheiten mehr zu erkennen waren. Trim zuckte entsetzt zusammen, als es plötzlich zu einer Berührung kam. Er war in diesem reinen Nichts gegen etwas gestoßen!
Das Entsetzen verunsicherte ihn für einen Moment, so dass er auf einmal absackte. Er wusste nicht, wie tief, aber er fing sich sofort wieder und merkte, dass er wieder aufwärts driftete. Unten erklang der gellende Entsetzensschrei Startacs. Demnach war er ebenfalls auf das Hindernis gestoßen. „Da treibt ein Körper im Nichts", hörte Trim den Teleporter mit zittriger Stimme flüstern. „Er ist so steif und eisig kalt ..." Trim erreichte Startac, als dieser gerade den Helmscheinwerfer seines Kampfanzuges einschaltete. Trim tat es ihm gleich. Die Lichtstrahlen reichten nur Zentimeter weit, dann wurden sie von der Finsternis absorbiert. Das reichte immerhin dafür aus, den Körper Handbreit um Handbreit zu untersuchen. Es handelte sich um den mumifizier ten Leichnam eines Fremdwesens. Es war in einen weich gepolsterten Anzug gekleidet. Aus dem Oberkörper ragten sechs Arme, drei an jeder Seite, die jeweils in dreigliedrigen Klauen endeten. Zuerst schien es, dass das Wesen zwei dicke und ein drittes dünneres Bein besaß. Doch dieses „dritte Bein" entpuppte sich als Schwanz, der von einem Gliederpanzer eingehüllt war.
Die Mutanten tasteten sich zum Kopf des Leichnams vor und starrten in das breite Gesicht eines Echsenwesens mit schnabelartigem Maul und einem Stirnhorn. Links und rechts des Horns ragten zwei liderbedeckte Stielaugen hervor. Unter
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